Wallentin, Jan
hinauf:
»Venga,
Signor Don. Kommen Sie.«
Don nahm
unsicher seine Pilotenbrille ab und hörte, wie die Wand auch seinen Stiefel
umschloss. Dann zog Elena an den Handschellen, und im nächsten Augenblick
stürzten sie beide hinunter.
Die Schwarze Sonne
Die
Tunnelwand sog ihn mit zunehmender Geschwindigkeit nach unten. Der klebrige
Griff, der Dons Stiefel umschloss, hatte sich ebenfalls wie ein Fliegenfänger
an seinen Rücken geheftet. Doch obwohl er, ohne sich bewegen zu können, wie ein
Insekt an der Wand hing, schien sein Tempo höher zu sein, als wenn er völlig
ohne Halt in die Tiefen der Unterwelt gestürzt wäre.
Der
Fahrtwind blies so kräftig in Dons Gesicht, dass er gezwungen war, nach oben
zu schauen, um überhaupt etwas sehen zu können. Seine Haare standen im
Luftwiderstand wie ein Pinsel von seinem Kopf ab, und sein Samtanzug flatterte
so stark, als würde er jeden Moment in Stücke gerissen werden.
Der
Schneesturm hatte sich bereits während der ersten Sekunden des Falls in einen
immer kleiner werdenden weißen Punkt verwandelt. Jetzt war er schon lange
nicht mehr zu sehen, doch der Tunnel war ganz und gar nicht dunkel.
Die blauvioletten
Wände verbreiteten ein funkelndes Licht wie Sterne an einem Nachthimmel.
Oberhalb von Don hingen all die Gestalten in Camouflageanzügen, die nun
gemeinsam mit ihm in die Tiefe stürzten.
Am besten
konnte er Vater erkennen, der in seinem Elektrorollstuhl festgeklebt nur etwa
zehn Meter über ihm schwebte. An Vaters Seite war Eberlein zu erkennen, der
wie ein Schmetterling an die Tunnelwand geheftet zu sein schien sowie eine
Gestalt, die an eine ausgebeulte weiße Billardkugel erinnerte: die leicht
wiederzuerkennende Kröte.
Zu Beginn
des Falls war Don viel zu erschrocken gewesen, um überhaupt denken zu können.
Seine einzige Reaktion hatte darin bestanden, seine Schultertasche an sich zu
pressen und die Zähne zusammenzubeißen. Doch jetzt, nachdem einige Minuten
vergangen waren, ohne dass sie auf irgendeinem Boden aufgeschlagen wären,
begann Don sich zu fragen, wann dieser saugende Schlund jemals zu Ende sein
würde.
Er
erinnerte sich daran, irgendwo einmal gelesen zu haben, dass es dem Menschen nie
gelungen sei, weiter als zwölf Kilometer ins Erdinnere vorzudringen, doch diese
Entfernung hatten sie mit Sicherheit schon längst überschritten.
Über ihm
breitete sich das kalte Wasser des Eismeers aus, und weiter unten erwartete ihn
der heiße Mantel aus geschmolzenem Metall und flüssigem Magma. Don hatte sich
die Hölle immer als etwas ewig Brennendes vorgestellt, doch erstaunlicherweise
nahm die Kälte zu, je tiefer sie in den Tunnel hinunterkamen.
Trotz des
starken Windes gelang es ihm, sich zu Elena zu drehen, die ihre Augen
geschlossen hatte. Ihr Mund bewegte sich jedoch, als befände sie sich in einer
Art Trance. Don fragte sich, ob er versuchen sollte, sie zu wecken, doch ihr
Gesicht strahlte eine derartige Ruhe aus, dass er es lieber bleiben ließ. Stattdessen
umfasste er seine Tasche noch fester und schloss ebenfalls die Augen. Er fiel
immer tiefer, ohne zu sehen, wohin.
Er hielt
die Augen so lange geschlossen, dass es sich anfühlte, als wären sie
eingefroren. Den Mund konnte er kaum bewegen, Wangen und Stirn waren vom
eisigen Wind steif geworden.
Dann
vernahm Don eine leichte Veränderung im Geräusch des Fahrtwindes. Anfänglich
erschien es ihm wie eine leise Hoffnung, doch schließlich wagte er tatsächlich
daran zu glauben, dass die Fallgeschwindigkeit geringer wurde. Das starke
Rauschen des Windes verwandelte sich in ein leises Säuseln, und bald segelte
er sachte wie eine Feder Richtung Boden, der in einen gräulichen Nebel gehüllt
war.
»Sie
erwarten uns bereits.«
Elenas
Stimme drang durch die Nebelschleier. Don versuchte seine Schultern zu bewegen,
doch die Wand hielt ihn mit ihrem klebrigen Griff fest.
Auf dem
letzten Stück des verzögerten Falls begannen sich seine Augen an die Dunkelheit
zu gewöhnen. Hier unten war alles von einem Dunst umschlossen, und die Kälte
war unerträglich beißend.
Don verzog
das Gesicht, um die Muskeln aus ihrer gefrorenen Starre zu befreien. Er hatte
gerade seine Pilotenbrille wieder aufgesetzt, als die Fahrt zu Ende war.
So rasch,
wie er an der Wand festgeklebt war, so sanft entließ sie ihn nun aus ihrem
klebenden Griff. Don spürte, wie er die letzten Meter hinunter zum Boden
regelrecht schwebte, wo seine Stiefel im zentimetertiefem Staub versanken.
Elena war
ebenfalls
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