Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
Vom Netzwerk:
den beschlagenen Gläsern der Pilotenbrille zu einem
Strich zusammengezogen. Dann begann er in seiner Tasche zu wühlen und zog
etwas heraus, das wie ein kleiner Inhalator aussah. Elena konnte sehen, wie er
ihn gierig zum Mund führte.
     
    Als Don
den ersten tiefen Atemzug mit Trichlorethen eingesaugt hatte, verdrehten sich
seine Augen, und er wurde kurzfristig blind. Als er wieder sehen konnte, begann
er in seiner Tasche nach dem Tablettenkärtchen mit Mogadon zu suchen.
    Elenas Blicke
kümmerten ihn nicht; um weitergehen zu können, musste er sein Herzrasen unter
Kontrolle bekommen. Bevor nicht die Wirkung der Droge einsetzte, würde Don
keinen weiteren Schritt durch diesen Höllengang tun.
    Doch als
Elena ihn mit den Handschellen vorwärts zog, sah er seufzend ein, dass nicht er
derjenige war, der das Sagen hatte. Sie folgten den Männern der Stiftung durch
das bläulich schimmernde Gewölbe.
     
    Don und
Elena stapften Seite an Seite ein Stück hinter den schneeweißen Gestalten her.
Die Soldaten glitten in ihren Camouflageuniformen wie klare Konturen aus Licht
an den Wänden entlang.
    Ganz vorne
segelte Vater in seinem Elektrorollstuhl dahin, mit dem haarlosen Kopf wie ein
einsames Licht hin- und herwippend. Man konnte ein schwaches Surren vernehmen,
während sich die Räder durch die Schichten dahintreibenden Staubs bewegten.
    Direkt
hinter Vaters schmalem langen Rücken konnte Don Eberlein und die Kröte
ausmachen. Die entspiegelte Brille drehte sich in regelmäßigen Abständen zu ihm
um, als wäre Eberlein daran gelegen, dass ausgerechnet Don erlebte, was sich
hier offenbarte.
    Nachdem es
lange still gewesen war, hörte man nun ein entferntes Grollen, das ihnen durch
den Gang entgegenschlug. Das Geräusch wurde immer lauter, je näher sie kamen,
und wuchs sich bald zu einem Hämmern von dröhnenden Schlägen aus.
    Als Don zu
Elena rüberschielte, sah er, wie in rhythmischen Abständen weißer Atem aus
ihrem Mund strömte. Zugleich kam ihm seine eigene Atmung immer mehr wie ein
flaches Keuchen vor. Er begann in seiner Tasche nach etwas Linderndem zu suchen
- doch dann hielt Don mitten in der Bewegung inne, denn er stellte fest, dass
sie ihr Ziel erreicht hatten. Weiter vorne hob einer der Soldaten die Hand als
Stoppzeichen in die Luft, woraufhin Vater seinen Elektrorollstuhl zum Stehen
brachte. Im selben Augenblick ertönte ein erneutes Donnern, dessen hallender
Nachklang Dons Brustkorb und Rücken vibrieren ließ.
    Als sie
dort im Nebel in der Unterwelt anhielten, suchte er aufs Neue Elenas Wärme. Er
ergriff ihre Finger, während sie in einen gigantischen Saal schauten, in den
der Gang mündete.
     
    Elena
wusste nicht, was sie von diesem Ort halten sollte, der ihr schon so viele Male
beschrieben worden war. Sie hatte sich ihn wie einen Märchenpalast vorgestellt,
eine magische Quelle der Weisheit und des Verstandes. Doch jetzt, da sich der
Nebel lichtete, begriff sie, dass Vaters Worte nicht der Wirklichkeit
entsprachen. Sie waren nicht an einem Palast aus Licht und Wahrheit angelangt;
sie standen vor einem Mausoleum, das nur den willkommen hieß, der bereits tot
war.
    Der
Hohlraum, der vor ihnen lag, war so groß, dass man nicht sehen konnte, wo seine
Wände endeten, und als Elena ihren Kopf nach hinten neigte war es, als blicke
sie in einen Sternenhimmel voller stecknadelkopfgroßer Lichtpunkte. Dennoch
musste der gigantische Felsensaal irgendwo enden, denn in Richtung Decke erstreckten
sich schlanke Säulen. Sie füllten die Grotte vollständig aus wie ein endloser
Wald nackter Bäume.
    Sie wollte
gerade einen ersten Schritt vorwärts machen, als sie einen eisernen Griff um
ihr Handgelenk spürte. Jemand hielt sie fest und drehte sie ruckartig herum, wo
sie Vaters einäugigem Blick begegnete.
    »Dieses
Labyrinth ist viel zu groß für dich, Elena«, sagte Vater. »Es wird das Beste
sein, wenn du meiner Spur folgst.«
    Dann
bewegte er den Hebel nach vorne, und der Rollstuhl setzte sich wieder in
Bewegung. Surrend schnitten seine Räder Spuren in das Meer aus Staub bis
hinunter an den äußeren Rand der Säulen.
    Die weiß
gekleideten Soldaten folgten ihm geduckt, als erwarteten sie irgendeine Form
des Widerstands. Neben Eberlein wankte die Kröte bedächtigen Schrittes, bis sie
zwischen den Säulen verschwand.
    Don wurde
schwindlig, als er feststellte, dass nun jeglicher Kontakt mit der Wirklichkeit
abgebrochen war. Er wartete auf den bevorstehenden Mogadonrausch, um besser
akzeptieren zu können, dass

Weitere Kostenlose Bücher