Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
Vom Netzwerk:
sein Magen zusammenzog, als sie hinunter auf
die Eisfläche sanken. Er presste seine Schultertasche an sich und blickte im
Dunkeln hilfesuchend zu Eva. Doch die Lichtverhältnisse waren zu schlecht, um
ihren Gesichtsausdruck erkennen zu können.
     
    Nichts und
niemand hätte Don darauf vorbereiten können, was ihn erwartete, als der
Helikopter schließlich landete. Und dennoch hatte er genau diesen Anblick
bereits auf Eberleins Glasnegativen gesehen.
    Lyttons
Männer lotsten ihn zu einem riesigen Abgrund, der sich wie ein Schlund im Eis
auftat und geradewegs in die Unterwelt führte. Seine runde Öffnung war
vollkommen gleichmäßig und wirkte wie mit einer Schweißflamme geformt. Die
lotrechte Tunnelmündung erstreckte sich über eine so große Fläche, dass er die
gegenüberliegende Seite nicht sehen konnte. Doch Don schaute lieber dorthin als
geradewegs nach unten.
    Der
Helikopter war um die hundert Meter entfernt gelandet, durch den Schnee
verliefen Schleifspuren in Richtung Mündung. Die Südamerikaner hatten ihre
Stahlkisten zum Rand der Öffnung transportiert und dort aufgereiht.
    Don zog
seine Jacke als Schutz gegen den pfeifenden Wind dichter um sich. Dann sah er,
wie Rivera und Moyano eine der Kisten ergriffen und sie über die Kante hievten.
Als das Metall die Innenwände des Tunnels berührte, ließen sie sie los, und im
nächsten Augenblick verschwand die Kiste nach unten.
    »Este es
el final, Endstation«, rief Agusto Lytton durch den Sturm. »Es tut mir leid, es
Ihnen sagen zu müssen, aber für Sie, Sefior Goldstein, wird die lange Reise
hier enden.«
    Dann
winkte Lytton Moyano zu sich, der seinen massigen Körper hinunterbeugen
musste, um die Anweisungen hören zu können. Don konnte sehen, wie sich sein
durch Pockennarben gezeichnetes Gesicht in einer enttäuschten Miene verzog.
    »Sie
werden hier oben bleiben und gemeinsam mit Moyano Wache halten«, rief Lytton.
»Ich hoffe, dass Sie etwas finden werden, um sich die Zeit zu vertreiben.«
    Dann
führte der alte Mann Eva an den Rand der Öffnung. Sie machten einen großen
Schritt über die Kante, als existierte der Abgrund nicht, und als Don im
nächsten Augenblick hinunterschaute, waren weder Lytton noch Eva zu sehen.
    Aus der
Gruppe der südamerikanischen Männer konnte man ein beunruhigtes Gemurmel
vernehmen. Doch dann folgten sie ihnen, und einer nach dem anderen fiel in die
klaffende Leere des Tunnels hinunter. Don und Moyano blieben in einer Wolke aus
Schneetreiben allein zurück.
     
    Nachdem
mehr als eine Stunde vergangen war, schien Moyano seiner Aufgabe überdrüssig zu
sein. Der Südamerikaner hatte begonnen, die Öffnung zu umkreisen und Don sich
selbst zu überlassen. Als Don in den Abgrund hinunterschaute, musste er immer
wieder an Nils Strindberg denken. Daran, dass er, Andree und Fraenkel an diesem
Julitag 1897 genau dieses Bild vor Augen hatten.
    Die
Innenwände des Tunnel schimmerten blauviolett, und an ihnen entlang verliefen
funkelnde Stränge hinunter in Richtung Unterwelt. Die Wände, in denen sich
keinerlei Risse befanden, waren so kompakt, dass sie dem gewaltigen Druck des
Ozeans mit seinen Milliarden Tonnen Wasser trotzten. Ein Tentakel, der sich
Kilometer für Kilometer abwärts dem Grund entgegenstreckte. Don leuchtete es
nicht ein, wie jemand einen derartigen Fall überstehen konnte, und dennoch hatten
Lytton und Eva -
    Sein
Gedankengang wurde von knirschenden Schritten unterbrochen.
    Es war
Moyano, der in dem peitschenden Wind eine weitere Runde absolviert hatte. Don
schaute zum Südamerikaner auf, der sich nun ebenfalls über den Tunnelrand
beugte.
    »Es un
milagro, no? Ein Wunder, nicht wahr?«, flüsterte Moyano.
    Don
spürte, wie er nickte. Dann rutschte er im Schnee auf seinen Knien noch ein
Stück vor, um das Funkeln besser sehen zu können. Doch wie intensiv er die
Wände auch absuchte, konnte er sich nicht vorstellen, wie es Lytton und Eva
gelungen sein sollte zu überleben. Die Wände waren extrem glatt und gingen
senkrecht in die Tiefe.
    Moyano zog
einen seiner Handschuhe aus und hockte sich neben Don. Der Südamerikaner
betastete die innere Kante des Tunnels mit den Fingern. Plötzlich wurde seine
Hand festgesaugt, als bestünde die Wand aus Klebstoff. Moyano riss und zog, und
man konnte ein schmatzendes Geräusch hören, als es ihm endlich gelang sich zu
befreien.
    »Testen
Sie selbst«, flüsterte er Don zu, der seine Hand nun ebenfalls zögernd in
Richtung Kante bewegte.
    Im
nächsten Augenblick wurde sein

Weitere Kostenlose Bücher