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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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er gerade einer Halluzination verfallen war.
    Elena zog
ihn an den Handschellen weiter, und er folgte ihr stolpernd. Warum die
Deutschen auf die Idee gekommen waren, ihn mit sich in die Unterwelt zu
schleppen, leuchtete ihm nicht ein.
    Die
Säulen, an denen sie vorbeiwateten, waren sehr schmal und standen wie
blauglitzernde Fackeln in der Dunkelheit. Don fragte sich, wie diese dünnen
Stützen das unfassbar schwere Gewicht des Berges überhaupt tragen konnten.
    Dann
wanderten seine Gedanken zu Bube und ihrem 50er-Jahre-Haus, in dessen Garten
das Obst verfaulte; zum Glastisch, unter dem er gelegen und dem Geräusch ihrer
brummelnden Stimme gelauscht hatte.
    Solange es
ihm selber gelänge, am Leben zu bleiben, würde auch sie niemals ganz
verschwinden. All ihre Geschichten steckten noch in ihm wie eingebrannte
Wunden. Erst wenn er selber nicht mehr da wäre, würden sich ihre Geschichten
verlieren und deren Wahrheit für immer vergessen sein.
    Doch bei
dem Gedanken daran, wie sehr sein eigenes Leben entstellt wurde, fragte sich
Don, warum er Bube so geliebt hatte. Ihre Schmerzen hatte er ja nie lindern
können, und besonders von einem Kind konnte man nicht erwarten, dass es die
Zeit zurückdrehte. Solange er sich erinnern konnte, hatte er eine Art Schattenboxen
gegen seine Angst betrieben, doch hier in der Unterwelt erschien ihm dieser
Kampf zunehmend sinnlos.
     
    Elena, die
neben ihm ging, ließ ebenfalls ihren Gedanken freien Lauf. Sie wurde von der
beruhigenden Stimme ihrer Mutter durch den riesigen Hohlraum geleitet. Sie
raunte ihr Geschichten vom warmen Sonnenlicht zu, das auf einen Balkon in den
südlichen Vorstädten Neapels fiel. Sie versprach ihr, dass sie nun endlich nach
Hause kommen könnte.
    Das hier
ist kein stiller Ort, dachte Elena. Um sie herum erahnte sie Schatten. Nicht
einmal die Forscher der Stiftung hatten sagen können, um was für einen Saal es
sich handelte. Sie selber wollte gerne glauben, dass sie sich an einem
Schnittpunkt in der Zeit befand, an dem der Übergang von dieser zur nächsten
Welt nahezu fließend war.
    Doch dann
wurden Elenas Gedanken unterbrochen, denn Vater hielt zwischen den Säulen an.
Sie sah, dass er ein flüsterndes Gespräch mit dem Offizier führte, der die
Soldaten herkommandiert hatte.
    Der
Offizier nahm sein Gewehr von der Schulter und reichte es Vater. Vater deutete
mit der Waffe auf eine freie Fläche, die sich einige hundert Meter entfernt
auftat. Dann signalisierte er den Soldaten mit einer Geste, dass sie sich
verteilen sollten. Es surrte erneut, als der Elektrorollstuhl wieder Fahrt
aufnahm.
     
    Mit einem
Gefühl purer Resignation und Niedergeschlagenheit hatte Don sich entschieden,
alles zu akzeptieren, was er sah. Den funkelnden Staub und die glitzernden
Säulen, die sich in Richtung des weit entfernten Daches des Felsensaals
erhoben. Die Nebel Niflheims, die ihn mit ihrer rauen und feuchten Kühle
umschlossen.
    Als sie
den offenen Platz hinter den Pfeilern erreichten, begann sein Herz so schnell
zu schlagen, dass nichts in seiner Tasche es würde beruhigen können. Das, was
dort im Nebel aufgestellt war, erinnerte an eine Steinsetzung mit grob
gehauenen Felsblöcken, die einen Kreis bildeten. Und als Don das, was sich in
der Mitte des Kreises befand, wahrnahm, zog sich sein Körper in dem gewaltigen
Reflex, sich übergeben zu müssen, zusammen, den er sein ganzes Leben lang zu
unterdrücken versucht hatte.
    In der
Mitte des Steinkreises schwebte eine riesige schwarze Sonne, und von ihrer
runden Scheibe aus erstreckten sich zwölf hakenförmige Strahlen. Es war die
Schwarze Sonne, die sich dort über dem Staub erhob, schwerelos zwischen den
Steinblöcken schwebend und der Schwerkraft trotzend.
    Elena
kannte die Schwarze Sonne, denn die Legende von ihr hatte sie bereits in ihrem
ersten Jahr in Wewelsburg gehört. Vater hatte ihr vor langer Zeit erklärt,
warum Karl Maria Wiligut damals ihr Mosaik in den Fußboden des Nordturms
einsetzen ließ.
    Sie war
das Tor zu etwas ganz Anderem, und an seiner Schwelle waren die Visionen am
stärksten gewesen. Ihre Strahlen waren die Fühler, die die Einflüsterungen von
einer anderen Welt mit sich führten.
    Doch als
Elena sie nun zum ersten Mal real vor sich sah, war es nicht die schwarze
Scheibe mit ihren hakenförmigen Strahlen, die ihre Aufmerksamkeit erregte.
Stattdessen beobachtete sie die langhaarigen Männer, die dabei waren, eine
Konstruktion in Form eines gewaltigen Metallbogens zu errichten. Sie bestand
aus

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