Wallentin, Jan
sie richtig gehört hatte, doch als
schließlich eine unbehagliche Stille eintrat, hatte sie es plötzlich eilig,
ihre Sachen zusammenzupacken.
»Was für
einen interessanten Job Sie doch haben«, versuchte es der Taucher noch einmal,
als sie draußen auf der Glasveranda standen.
»Stimmt«,
antwortete die Fotografin.
Sie zog
ihre Turnschuhe wieder an und tastete in der Jackentasche nach dem
Autoschlüssel.
»Ach
übrigens ...«, begann er.
Die
Fotografin wandte sich in der Türöffnung um.
»Wir
könnten uns ja mal unten in der Stadt treffen, nur Sie und ich?«
Sie
lächelte rasch ohne zu antworten.
Erst als
sie außerhalb des Tores vor dem Holzzaun stand und den Wagen aufschließen
wollte, spürte sie, dass ihre Hand zitterte. Und als sie auf dem Rückweg den
Praktikanten anrief, konnte sie ihm den neuesten Fund des Tauchers dennoch
nicht verschweigen.
E4 in
Richtung Norden
Shaynkayt, Schönheit.
Das war
der einzige Ausdruck, der ihm zur Aussicht über die Felskante hinunter auf den
Vätternsee in den Sinn kam. Nördlich von Visingsö erstreckten sich große
Flächen von Schäfchenwolken, doch nach Süden hin war der Himmel immer noch klar,
und weit unten auf dem Wasser glitzerte ein mildes Nachmittagslicht.
Doch es
war a shande, eine Schande, dass die
Fensterscheibe vor Dons Tisch so verschmiert war, und dass der Geruch von aufgewärmten
Kindergerichten wie Würstchen und Köttbullar den Geschmack seines Kaffees
beeinträchtigten. Aber damit musste man wohl rechnen, wenn man von der
Europastraße zu einem Motel Restaurant abbog, und außerdem war das Leben im
Grunde a tsore, ein einziges Leiden, wie Bube es
ausgedrückt hätte.
Don hatte
den ausgedruckten Artikel des Dalakurir aufgefaltet und neben sein Tablett
gelegt. Er warf einen Blick auf das Foto von Erik Hall. Es war nicht besonders
schmeichelhaft.
Nach ihrem
kurzen morgendlichen Gespräch vor gut einer Woche im Schminkraum des Fernsehstudios
hatte Hall ihn unzählige Male angerufen, um ihn an seine geheimen Funde unten
aus dem Stollen und die Einladung in sein Haus in Falun zu erinnern. Die etwas
wirren Anrufe waren spät nachts gekommen, und es schien kein zivilisiertes
Mittel zu geben, um den Taucher abzuwimmeln.
Doch nun
hatte der Dalakurir einen ganzen Artikel über das Geheimnis des Tauchers
publiziert und es unter Zehntausenden von Lesern verbreitet. Zugleich schien
der Verfasser des Artikels kein besonderes Zutrauen zu Halls eigentümlichem
Bericht über das gefundene Anch-Kreuz zu haben. Er erschien wie eine billige Erfindung
von jemandem, der sich interessant machen wollte: gekünstelt, viel zu spät und
falsch.
Am Morgen
hatte der Taucher bei Don zu Hause angerufen und ziemlich deprimiert geklungen.
So hatte er es sich wirklich nicht
gedacht, und was dieser Journalist im Artikel auch immer angedeutet haben
mochte: Seine eigenen Aussagen über das Anch-Kreuz waren tatsächlich wahr.
Außerdem
hatte er noch etwas anderes da unten im Bergwerk gefunden. Ein schwer zu
deutendes Dokument, bei dem Don ihm möglicherweise helfen konnte. Also noch
mal, wann könnte der Forscher aus Lund kommen? Don hatte recht vage geantwortet
und schließlich aufgelegt.
Doch dann,
in einem plötzlichen Anfall von Tatendrang, hatte er beschlossen, trotz allem
nach Falun hochzufahren, wenn auch nur aus dem Grund, den ewigen Anfragen des
Tauchers ein Ende zu bereiten.
Er hatte
wie immer einen Zettel an die Tür zu seinem Arbeitszimmer in der Universität
von Lund gehängt, auf dem er mit unleserlicher Handschrift allen lästigen
Studenten mitteilte, dass er »kurzfristig unterwegs« sei. Und ganz unten -
falls es irgendwem entgegen aller Vermutungen gelänge, sein Gekritzel zu
entziffern - stand die Telefonnummer eines längst abgeschalteten Handys. Danach
hatte er sich vor dem Historischen Institut in seinen alten Renault 5 gesetzt
und den Motor wie durch Zauberhand, wenn auch stotternd, in Gang gebracht.
Don
schaute vom Artikel des Dalakurir auf und stellte langsam seinen Kaffeebecher
ab. Dann blickte er erneut durch das verschmierte Fenster in der Hoffnung,
sich noch einmal in der Aussicht über den Vättem See und die Visingsö Insel
verlieren zu können. Doch die Gedanken an das Anch-Kreuz hatten sein Erinnerungsvermögen
bereits in Gang gesetzt und ließen sich unmöglich aufhalten.
Anch, ein
Kreuz mit einem Handgriff, Crux ansata, das ursprüngliche Kreuz, das Symbol
für den Planeten Venus. Eine Hieroglyphe, die für Lebenskraft
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