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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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schaute hinein.
    Im Dunkeln
standen ein Paar Stiefel und etwas weiter entfernt vor einer Mora-Standuhr zwei
Korbstühle mit bestickten Kissen und ein Paar ausgelatschte Holzclogs. Auf
einen Bügel hatte der Taucher eine Windjacke mit orangefarbenem Logo gehängt
sowie einen blauen Strickpulli. Seitlich neben der inneren Tür, die zu einer
Art Flur zu führen schien, hing ein Plakat mit den für die verschiedenen
Regionen Schwedens typischen Blumen, und vor dem Vergissmeinnicht aus Dalsland
stand ein leerer Schirmständer.
    Don
klopfte noch einmal, dieses Mal allerdings nicht mehr zaghaft, sondern so
eindringlich, dass Hall es nicht überhören konnte, vorausgesetzt, er befand
sich irgendwo da drinnen im Dunkel des Hauses. Wieder keine Antwort: lediglich
das flüsternde Rauschen des Laubs und das tropfende Geräusch von der übervollen
Regentonne an der Giebelseite des Hauses.
    Er hatte
bereits fast aufgegeben, als er reflexartig den Türgriff herunterdrückte. Es
quietschte, als die unverschlossene Tür aufglitt. Don blieb einen Augenblick
zögernd auf der Treppe stehen, doch dann machte er einen ersten Schritt in die
Glasveranda hinein, wo es nach Rotwein und abgebrannten Kerzen roch.
    »Jemand zu
Hause?«
    Das
gedämpfte Geräusch der tickenden Mora-Uhr. »Hallo?«
    Don blieb
eine Weile unschlüssig im Dunkeln stehen. Doch dann entschied er, dass er allzu
lange gefahren war, um einfach wieder umzukehren, und klopfte fest an die
Innentür neben dem Plakat mit den Blumen. Doch bis auf das eintönige Klicken
des Pendels der alten Uhr blieb es still.
    Er rief
noch einmal, während er durch ein Wohnzimmer mit rosafarbenen samtbezogenen Sesseln
ging und gelangte in einen kleinen Flur mit einer blauen Tür, die antik zu
sein schien. Er schob sie auf und stand schließlich in einem rechteckigen
saalähnlichen Raum mit Aussicht auf die Rückseite des Hauses. Als er sich umdrehte,
erblickte er eine weitere Türöffnung, die in die Küche zu führen schien. Dort
leuchtete der orangefarbene Schalter einer Kaffeemaschine. Der Taucher konnte
also nicht weit sein.
    Auf dem
Tisch vor dem ausziehbaren Sofa standen zwei Gläser, Kerzen und zwei Flaschen
Wein. Als Don die Porzellanlampe anschaltete, bemerkte er, dass eine der
Flaschen noch halbvoll war. Plötzlich erblickte er ein längliches Geschöpf im
Fenster, und sein Herz begann zu flattern. Erst als er eine Hand bewegte,
begriff er, dass der verschwommene Schatten ihm selber gehörte.
    Die
Habichtsnase hatte er schon immer gehabt, eine echte jiddische
nuz, die aus seinem Gesicht hervorstach wie ein abgebrochener
Kleiderbügel. Die Pilotenbrille hatte er vor einigen Jahren gekauft, als seine
Sehschärfe nachzulassen begann, und ungefähr zur selben Zeit hatte auch sein
lichter werdendes Haar graue Einsprengsel bekommen. Leicht gebeugt war er
schon als Teenager gewesen, aber er konnte sich nicht daran erinnern, wann er
derartig abgemagert war oder wann die Haut seiner Hände sich so gelblich
verfärbt hatte. Das Manchesterjackett stand ihm nicht, es verstärkte eher noch
die Neigung seiner nach vorne hängenden Schultern, und das Einzige, mit dem er
möglicherweise zufrieden sein könnte, waren seine neuen Dr. Martens-Stiefel,
die man allerdings im Spiegelbild des Fensters gar nicht sah.
    Dann
ertönte ein Klappern aus der hinteren Ecke der Küche, woraufhin Dons Herz noch
heftiger zu klopfen begann, obwohl er schnell feststellte, dass lediglich der
Ventilator des Kühlschranks angesprungen war. Doch das rasche Pulsieren ging
unmittelbar in ein wohlbekanntes Flattern unterhalb seines Brustbeins über.
Eine rastlose Unruhe, der unmittelbar ein trockener Geschmack im Mund und
starke Schluckbeschwerden folgen würden.
    Don suchte
mit einer Hand in seiner Tasche und holte ein in Russland gekauftes Päckchen
Clonazepam hervor. Es sollte sein erster Versuch mit diesen Tabletten werden,
aber es würde schon gutgehen. Er nahm sechs flache Pillen mit jeweils zwei
Milligramm, warf sie auf seine ausgetrocknete Zunge und versuchte sie herunterzuschlucken.
Dann fiel ihm die Flasche Wein ein, und er machte ein paar Schritte auf den
Tisch zu, wo er sich ein Glas eingoss.
    Der
Rotwein schmeckte schwach nach Eisen, und als Don dastand und trank, fiel ihm
auf, dass sein Verhalten wohl nicht gerade dem eines chushever
mentsh, eines respektvollen Menschen entsprach, wie Bube gesagt
hätte. Aber schließlich war es nun wirklich nicht seine eigene Idee gewesen,
hier hinaufzufahren und Erik Halls Haus

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