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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Zehenspitzen und nahm
eine Flasche aus der Mitte des obersten Regals. Sie sah unansehnlich aus und
war mit der Jahreszahl 1999 beschriftet. Die nächste war schon besser, ein
Burgunder von 1972, während die dritte richtig vielversprechend aus dem Jahr
1959 stammte.
    »Wenn man
etwas so lange aufhebt, muss es doch gut sein«, murmelte Don vor sich hin.
    Dann
schaute er zu der Lücke im Regal hinauf, in der die Flasche gelegen hatte.
    Die
Rechtsanwältin stand immer noch an die Spüle gelehnt, als Don wieder in den
Servierraum hinaufkam. Sie sah müder aus als zu dem Zeitpunkt, als er
weggegangen war, und um die Portweinflasche schien sie sich nicht länger zu
kümmern.
    »Dieser
Geschichte muss ein Ende gesetzt werden«, entschied sie.
    »Es gibt
da unten etwas, das Sie sich angucken müssen«, entgegnete Don.
     
    Er führte
sie in den Weinkeller hinein, zog die Glastür hinter ihnen zu und achtete
darauf, dass sie richtig schloss.
    Nachdem
sie den engen Korridor mit dem Fass und den Kristallgläsern passiert hatten,
gelangten sie in den unteren Bereich des Kellers. Auf dem Fußboden standen
jetzt ungefähr fünfzig Flaschen aufgereiht, die Don aus dem obersten Regal
genommen hatte.
    »Sie
geizen ja wirklich nicht gerade«, bemerkte Eva Strand.
    Don wies
auf eine Holzkiste, die einen halben Meter hoch war, und die er geleert hatte,
um nicht die ganze Zeit auf Zehenspitzen stehen zu müssen, während er mit den
Flaschen hantierte. Eva machte ein paar Schritte vor, schaute ihn fragend an
und stieg dann auf die Kiste. Mit den Fingern um das oberste Regal greifend
linste sie in die Öffnung, die entstanden war, nachdem die Flaschen entfernt
wurden.
    »Sie sehen
es, oder?«, fragte Don.
    Eva
nickte. Dann streckte sie einen Arm hinein, um die Entfernung abzuschätzen.
    »Ich
erreiche es nicht«, stellte sie fest.
    »Es sieht
aus, als wäre es aus Glas«, meinte er.
    »Ich kann
nicht ...«
    Nach einem
letzten Versuch gab Eva auf, zog ihren Arm zurück und schaute zu ihm hinunter.
    »Und was
hatten Sie vor?«, fragte sie.
    Sie hielt
sich immer noch mit den Fingern am obersten Regal fest, um nicht das
Gleichgewicht zu verlieren.
    »Helfen
Sie mir, die restlichen Flaschen wegzuräumen«, bat Don.
    Eva
schaute ihn fragend an, doch schließlich reichte sie ihm eine erste Flasche
Bordeauxwein. Dann noch eine und eine weitere, und als das oberste Regal leer
war, hoben sie gemeinsam das schwere Brett ab, auf dem die Flaschen gelegen
hatten, und begannen, die nächste Reihe zu leeren. Bald war der hintere Teil
des Weinkellers mit Flaschen bedeckt, und als sie ein weiteres Brett entfernt
hatten, benötigten sie die Holzkiste nicht länger, um an die Flaschen zu gelangen.
    »Und wenn
sie uns hören?«, fragte Eva.
    Er sah sie
an und befingerte prüfend die Nägel an den Brettern.
     
    Schweigend
fuhren sie fort, die Regale zu leeren, bis sie zum untersten Brett gelangten,
das an der Ziegelwand festgeschraubt war. Don kam es gelegen, denn dann würde
es wahrscheinlich sein Körpergewicht tragen können.
    Er
bedeutete Eva, ihn zu stützen, und mit der Hand auf ihrer Schulter drückte er
sich vorsichtig mit dem Stiefel am untersten Regalbrett ab. Dann machte er einen
Schritt nach oben, schwankte, und sie musste ihm helfen, nicht völlig die
Balance zu verlieren.
    Das kleine
Kellerfenster befand sich jetzt ungefähr zehn Zentimeter über seinem Kopf in
Reichweite. Das Brett bog sich unter Dons Gewicht, doch es schien zu halten.
Dann streckte er die Hand aus.
    »Geben Sie
es mir.«
    Sie
reichte ihm das Brett mit den herausstehenden Nägeln. »Sie müssen mich
stützen«, forderte er sie auf. Nichts geschah. »Sie müssen ...
    Er spürte
ihre Hände an seinem Rücken.
    Ein fester
Griff um das Holzbrett, die Nägel nach vorne gerichtet. Er hatte keine Ahnung,
wie hart er zuschlagen sollte, also versuchte er es mit wenig Kraft. Es
klapperte leicht, als die Nagelspitzen am Glasmosaik abprallten.
    Dann
unternahm er einen neuen Versuch, diesmal fester, ein kurzer kraftvoller
Schwung, und die Fensterscheibe zerbrach und fiel in blauroten Scherben
hinunter auf den Steinboden. Das schrille Klirren zerbrochenen Glases ließ Eva
zusammenzucken.
    Nach einer
ganzen Weile zischte sie:
    »Na, das
war aber diskret.«
    Don zog
den Ärmel seines Jacketts so weit es ging über die Knöchel seiner rechten Hand
und begann die letzten scharfkantigen Scherben aus dem Rahmen des
Kellerfensters abzuschlagen. Er konnte bereits die hereindringende

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