Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
Vom Netzwerk:
nicht hineingedrückt war. Die Nadel musste dennoch die
Halsschlagader getroffen haben, denn das Plastikröhrchen wippte im Takt mit
seinem Herzschlag.
    Der
Polizist fingerte unbeholfen mit den Händen an seinem Nacken herum, während
Don Kraft sammelte, um auf die Beine zu kommen. Dann erblickte er eine Gestalt
mit einem Fischgrätenmuster, die ins Licht gehumpelt kam. Der Dünnhaarige
hatte keine Chance, sie zu entdecken, da sie sich von hinten näherte. Als sie
direkt hinter seinem Rücken stand, ergriff sie rasch die Spritze und drückte
entschlossen die sechs Milliliter Leptanal aus dem Kolben in die Ader.
    Der
Polizist drehte sich halb um und sah der Rechtsanwältin tief in die Augen. Dann
schwankte er, taumelte einige Meter zur Seite und sank zu Boden.
     
    Eva Strand
ging vor seinem Körper in die Hocke, die Hände an ihr blutendes Bein gepresst.
Don lief herbei und begann die Jackentaschen des Sicherheitspolizisten zu
durchwühlen. Er fluchte und schimpfte, bis er endlich die Autoschlüssel fand.
    Gemeinsam
stolperten Eva und Don in Richtung Wendeplatz, sie mit dem Arm über seinen
Schultern. Aus einigen Metern Entfernung öffnete Don die Verriegelung des
Kombis. Gleichzeitig gaben Evas Knie nach, so dass er sie das letzte Stück
tragen musste.
    Nachdem er
sie auf den Beifahrersitz befördert hatte, lief Don keuchend um den Wagen
herum, riss die Fahrertür auf und sprang hinters Steuer. Nach einem
misslungenen Startversuch war er gezwungen, das Licht im Fahrerraum
anzuschalten, um das Zündschloss zu finden. Er drehte den Schlüssel herum und
hörte den starken Motor aufheulen, der sie von hier wegbefördern würde.
    Er löste
die Handbremse und rollte in Richtung der Allee, wo er das Gaspedal entschieden
durchtrat. Im letzten Moment gelang es ihm, dem kräftigen Baumstamm
auszuweichen, der auf sie zugeschossen kam, bevor die Räder endlich
hinwegschnurrten.
    Als sie
den Djurgärdsväg entlangrasten, begann Eva angesichts der Erschütterung des
Wagens aufzuschreien, und Don hielt an der Bushaltestelle des 47er Busses,
wühlte in seiner Tasche und kramte sechs violette Tabletten hervor. Doch als
sie sie geschluckt hatte, stellte er fest, dass es viel zu viele waren.
    Er klopfte
ihr tröstend auf den Oberschenkel und sah hinunter auf ihren Unterschenkel. Der
Nylonstrumpf war vollkommen durchtränkt und schwarz, und als er ihr den Schuh
abstreifte, war dieser voller Blut. Er wickelte das letzte Handtuch so fest er
konnte um ihr Bein und verknotete es. Eva lehnte ihren Kopf zurück an die
Lehne.
    Don löste
die Bremse, schaute in den Rückspiegel und beschloss im letzten Moment, noch
vor dem Lastwagen wieder auf die Straße einzuscheren, ehe dieser kreischend
hinter ihm bremste.
    Strandvägen,
dachte er. Strandvägen, Hamngatan, T-Centralen. Den Wagen abstellen und dann:
die blaue Linie in Richtung Norden nehmen.
     
    Das Kreuz
     
    Ein
grelles Morgenlicht schlug Elena entgegen, als sie die Haustür aufzog, die zu
dem kleinen Platz mit dem zugemauerten Brunnen führte.
    Die Spuren
der nächtlichen Träume in ihrem Gesicht waren längst ausgelöscht. Um die Augen
herum war sie besonders sorgfältig gewesen und hatte sich außerdem getraut,
ihre Wangen mit Rouge zu pudern. Es war ein Drahtseilakt, denn sie wusste, dass
Vater nichts von dem sehen wollte, was auf ihr Erwachsensein hindeutete. Um
ihn nicht unnötig zu provozieren, hatte sie einen ausgebeulten Trainingsanzug
und ein Paar Joggingschuhe angezogen.
    Das Kreuz
lag wie ein Eiszapfen in ihrem Rucksack, als sie sich widerstrebend durch die
Stadt in Richtung des Bankgebäudes bewegte. Aber dann konnte sie sich doch
nicht zurückhalten, die Geschwindigkeit zu erhöhen, und trotz allem, was sie
innerlich belastete, waren ihre Schritte leicht und federnd, als sie durch die
ihr wohlbekannten Kopfsteinpflasterstraßen lief. Auf Höhe des Gasthauses
Ottenhof bog sie in die Gasse mit den Fachwerkhäusern ein, die zum Rathausplatz
von Wewelsburg führte.
    Während
sie das letzte Stück in Richtung Bankgebäude joggte, konnte sie es nicht
lassen, über dessen Dach hinauf zur Silhouette der Burg zu schielen. Als Kind
hatte sie die Burg als Zeichen betrachtet; sie war tatsächlich an einem Ort
wie im Märchen gelandet - ein eigenes Schloss! -, doch jetzt stand sie
lediglich wie eine düstere Erinnerung für alles, was sie verloren hatte.
    Vor dem
gläsernen Eingang blieb Elena stehen und bewegte die Arme über die Schultern
nach hinten, um sich ein letztes Mal tastend

Weitere Kostenlose Bücher