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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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so
ausgefeilt, dass sie sogar wahrnehmen können, ob die Haut warm oder kalt ist,
um herauszufinden, ob der Finger einem lebenden Menschen gehört.«
    Don
wartete vergebens auf den beruhigenden Effekt des Xanors.
    »Aber wie
bei allen Systemen dieser Art existiert ein Spielraum für geschickt ausgeführte
Fälschungen.«
    Eberlein
klopfte ihm auf den Oberschenkel.
    »Derjenige,
der eine Kopie von Ihren Fingerabdrücken erstellen wollte, würde zum Beispiel
die Porzellantasse, die Sie hier in der Bibliothek benutzt haben, mit feinem
Kohlestaub abbürsten. Dann würde er die Linien des Abdrucks mit etwas so
Simplem wie durchsichtigem Klebeband ablösen können. Mit Hilfe einer Nadel
würde er schließlich die Linien auf dem Klebeband in eine fingerhutgroße Form
hineinritzen, die er daraufhin mit einer hauchdünnen Schicht Gelatine füllt.
Wenn die Gelatine fest wird, ist sie in der Lage, Elektrizität und Wärme zu
leiten genau wie Ihre eigene Haut, und man würde einen gefälschten
Fingerabdruck erstellt haben, der jeden beliebigen Fingerabdruckscanner
täuschen könnte.«
    »Ich hatte
schon immer eine Vorliebe für alles Mechanische«, gestand Don.
    »Es gibt
viele denkbare Anwendungsbereiche«, fuhr Eberlein fort. »Einer bestünde darin,
diverse Kopien Ihrer Fingerkuppen auf die abgeschlagene Flasche zu drücken, die
mit Sicherheit irgendwo im Gebüsch unten am Teich von Erik Hall liegt. Die Flasehe
müsste dann natürlich unmittelbar der schwedischen Polizei übergeben werden,
denn ein derart wichtiges Beweismittel einzubehalten wäre geradezu
gesetzeswidrig. Eine Mordwaffe mit den Fingerabdrücken des Täters wird
definitiv als Beweisstück eingestuft.«
    Don merkte,
wie er nickte.
    »Doch das
ist eine etwas aufwendige Prozedur«, seufzte Eberlein.
    Er ließ
Dons Oberschenkel los und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
    »Ja, es
klingt kompliziert«, pflichtete Don bei.
    »Aber
vielleicht findet man die abgeschlagene Flasche, mit der der arme Erik Hall
erschlagen wurde, ja gar nicht. In dem Fall wäre die ganze Arbeit gelinde
gesagt umsonst gewesen.«
    Don nickte
erneut.
    »Vielleicht
bestünde für uns auch gar kein Grund, danach zu suchen. Vielleicht kämen Sie
und Ihre Rechtsanwältin ja auch mit einem angemessenen Vorschlag, der alles,
was ich eben gesagt habe, überflüssig machen würde.«
    Das Licht
verschwand, als Don die Augen schloss. Dann versuchte er, seine grauen Zellen
anzukurbeln, indem er sich die Nase rieb, und sagte schließlich:
    »Wozu man
nichts sagen kann, darüber sollte man besser schweigen.«
    Eberlein
lächelte.
    »Sie
können sich bis morgen früh Gedanken darüber machen.«
     
    Don hörte,
wie sich die Kröte den Doppeltüren von außen näherte und anklopfte. Als er die
Augen öffnete, sah er, dass die beiden Säpomänner gemeinsam mit Eva Strand
draußen vor der Tür standen. Er stand zögernd vom Stuhl auf und warf einen
kurzen Blick auf seine Uhr, die Mitternacht anzeigte.
    »Ich
fürchte, dass die Unterbringung für Sie beide etwas beengt und behelfsmäßig
sein wird«, sagte Eberlein entschuldigend. »Doch Sie müssen sich leider mit dem
zufriedengeben, was das Haus zu bieten hat.«
    Dann
spürte Don die Hand der Kröte an seinem Rücken und merkte, dass er sich langsam
aus der Bibliothek hinausbewegte und auf die Wendeltreppe zuging.
     
    Die Kanüle
     
    »Take a
tsemishung«, wiederholte Don im Stillen, doch zum wievielten Mal,
wusste er nicht mehr.
    Sie saßen
Seite an Seite auf ihren in Plastik eingehüllten Schaumstoffmatratzen in einem
engen Servierraum mit den Rücken an ein Büfett gelehnt.
    »Woher
stammt dieser Ausdruck?«, fragte Eva Strand.
    Don verzog
das Gesicht, als er versuchte, seine Stellung zu ändern. Die Schmerzen im
Nacken hatten sich bereits während Eberleins langem Exkurs in der Bibliothek
bemerkbar gemacht, doch inzwischen, nach zusätzlichen Stunden des Wachseins,
hatten sie begonnen, in die Oberarme und bis hinunter in seine Hände und Finger
auszustrahlen.
    »Das
einzig Gute, was meine Großmutter hinterlassen hat. Jiddisch mit verwaschener
Aussprache.«
    »Wie
nannte Ihre Großmutter das hier noch mal?«
    »Take a
tsemishung«, wiederholte Don. »Ein verdammtes Chaos.«
    Eva verzog
ein wenig den Mund.
    »Take a
tsemishung«, sagte sie. »Ja, das stimmt.«
     
    Sie waren
dem wankenden Rücken der Kröte durch die Korridore des Untergeschosses gefolgt.
Durch einen Speisesaal mit einem Deckengemälde, das zwei Adler im Flug vor
einem weißblauen

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