Wallentin, Jan
was ich zu
Hause an Bargeld hatte, und dann werden wir übers Internet nach einer Lösung
suchen müssen.«
Hex nickte
in Richtung des Laptops. Dann drehte sie sich um und steckte die Aktenmappe in
ein Netz, das oberhalb des Bettes angebracht war.
»Aber das
ist kein Geschenk, Danele«, fügte sie
hinzu und stand auf.
Dann ging
sie auf Don zu, der sich ermattet gegen die Wand des Abteils gelehnt hatte. Hex
ergriff den Ärmelaufschlag des Bruders mit ihren kleinen Händen und richtete
ihren Blick auf sein Gesicht.
»Ziemlich
bald, ungefähr in einer halben Stunde wird eine Rangierlok kommen, die euch
vom Bahnhof Hagalund zum zentralen Güterbahnhof in Västberga hinausschleppt.
Dort werdet ihr an den Freitagstransport zum Hafen von Heisingborg gekoppelt.
Die Reise hinunter nach Skäne wird gemächlich sein, denn die Gleise sind meist
mit anderem Verkehr belegt. Dann habe ich einen weiteren Anschluss um 14.45
Uhr bestellt, bei dem ihr an einen französischen Gütertransport mit leichteren
Waggons gekoppelt werdet. Hinter Heisingborg erhöht sich also die
Geschwindigkeit. Und nach weiteren zehn, vielleicht elf Stunden werdet ihr
ankommen. Im Kuvert ist alles dokumentiert.«
Don sah
aus, als wollte er etwas sagen, doch stattdessen beugte er seinen krummen
Rücken in Richtung der Schwester und umarmte sie unbeholfen. Hex machte einen
Schritt zurück und lächelte geniert.
»Du hast
ja meine Passwörter, so dass wir Kontakt übers Internet halten können. Und seht
ja zu, dass ihr nicht in eine Zollkontrolle geratet. Ihr besitzt ein
deklariertes Nettogewicht von einundzwanzig Tonnen plus zwei Tonnen Fracht.
Unter der NHM-Nummer habe ich euch mit Recyclinggütern angegeben.«
»Du hast
deinen Namen wirklich verdient, Sarah«, meinte Don.
Hex fuhr
zusammen, doch dann zuckte sie lediglich mit den Schultern:
»Ja, unglaublich,
dass es funktioniert, aber die Kontrollen sind heutzutage so schlampig.
Schengen ist wirklich phantastisch. Und dann benötigst du den hier noch.«
Sie
reichte Don den Schraubenschlüssel und blieb zögernd vor ihm stehen. Dann legte
sie ihm ihre Hand auf die Wange:
»Ich
vintsh dir glik, Danele«, sagte sie. »Viel Glück.«
Dann
wandte sie sich Eva zu:
»Ihnen
auch.«
Mit einer
letzten zärtlichen Berührung von Dons Wange ging die Schwester auf die
Abteiltür zu. Zog sie auf und sagte:
»Seht zu,
dass ihr euch neue Kleidung kauft, wenn ihr angekommen seid. Ihr seht wirklich
zum Fürchten aus.«
Sie
verschwand hinaus in den dunklen Masonitkorridor. Eine Minute später wurde die
Geheimwand von außen geschlossen, und ein dumpfes Poltern ertönte, als die
Schiebetüren ins Schloss fielen.
Eva sank
auf das untere Bett in der Koje, und nach einer Weile streifte sie sich die
Schuhe auf dem Teppich ab.
»Sarah?«,
fragte sie.
»Wie
bitte?«, entgegnete Don.
Er hatte
seine Pilotenbrille abgenommen und saß gegen die Wand gelehnt da.
»Sie haben
sie Sarah genannt, Ihre Schwester.«
»Ja ...,
nein, ich war einfach nur zu müde. Sie mag diesen Namen nicht, ist 'ne alte
Geschichte.«
»Sie heißt
Sarah?«
»Ja ...
oder Charta Sarah Titelman, wenn man es genau nimmt.
Aber dann hätte sie uns rausgeschmissen, alle beide. Sie hat ein wenig
Probleme mit ihrem jüdischen Erbe, kann man sagen.«
»Und Sie
nicht?«
Don
schaute weg.
»Man kann
sich seine Familie nicht aussuchen«, murmelte Eva leise.
Er
antwortete nicht, saß lediglich da und rieb sich die Augen. »Und warum der Name
Hex?«
»Es hängt
in irgendeiner Weise mit den Computern zusammen«, erklärte Don. »Ich glaube, er
ist eine Art Codename. Ich weiß nicht, wie sie es gescharrt hat, dass es
funktioniert, aber offensichtlich hat es geklappt.«
»Sind Sie
schon mal mit dem Waggon gereist?«
»Ich halte
nicht viel vom Reisen«, antwortete Don.
In der
langanhaltenden Stille, die folgte, dachte er an all die Dinge, die er über
Chana Sarah Titelman hätte berichten können.
Wenn es
nicht so spät, und er nicht so furchtbar erschöpft gewesen wäre, würden ihn
seine Gedanken jetzt zu der Nacht im Frühjahr 1994 zurückführen, in der sie
ihn, was ihre Reife betraf, überholt hatte, bei sich aufnahm und ihn, ihren
großen Bruder, bemutterte, als wäre er ein Kind. Was kümmerte es ihn da, wie
sie sich nannte? Sie war diejenige, die ihn getragen hatte, als er es nicht aus
eigener Kraft schaffte.
»Es gibt
Wärmflaschen«, stellte Eva fest.
Sie hatte
eine Schublade unter dem Bett aufgezogen und hielt einen Bettwärmer
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