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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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hoch. In der Ferne ist über den Dächern die Spitze des Eiffelturms aufgetaucht.
    90
    Man liegt mit geschlossenen Augen auf dem Rücken im Bett. Durch das gekippte Fenster dringt der Straßenlärm von draußen, eine Autoalarmanlage, Kinder, die rufen. Man legt den rechten Arm über den Kopf.
    91
    Man hat einen stechenden Schmerz in der Seite.
    92
    Man geht spazieren. Nur vereinzelt kommen einem Passanten entgegen. Die Bäume der Allee haben vom Wind zu rascheln begonnen. Man stellt den Mantelkragen hoch. In der Ferne ist über den Dächern die Spitze des Eiffelturms aufgetaucht.
    93
    Ist der Wunsch nach Flucht vorhanden?
    Ja.
    94
    Man liegt mit geschlossenen Augen auf dem Rücken im Bett. Durch das gekippte Fenster dringt der Straßenlärm von draußen, eine Autoalarmanlage, Kinder, die rufen. Man verschränkt die Arme auf der Brust.
    95
    Kundenfrequenz der Bäckerei gegenüber (gezählt wurden die Personen, die das Geschäft betraten, Kinder inklusive):
    7–9 Uhr: 138
    9–12 Uhr: 97
    12–15 Uhr: 88
    15–17 Uhr: 95
    17–20 Uhr: 127
    96
    Er streift die Beete am Zaun entlang. Hinten, auf der Terrasse, essen Oma, Opa und Papa Kuchen. Er reckt den Kopf und schaut auf die großen gelben Blüten, die sich auf seiner Augenhöhe befinden. Ob Bienen darauf sind. Viele sind darauf. Er nimmt die Flasche, stülpt sie über die Blüte, er versperrt die Öffnung mit dem Zeigefinger, die Biene ist gefangen. Die Biene fliegt nach oben, stößt an, krabbelt auf der Innenseite der Flaschenwand entlang. An den Hinterbeinen der Biene sind kleine orangenfarbene Säckchen. Die Biene sitzt auf seiner Fingerkuppe. Das kitzelt. Die Biene hat ihn gestochen. Ihr Hinterteil hat gewackelt. Er hat geweint. Die Flasche ist ins Gras gefallen. Die Biene ist weg. Sein Zeigefinger ist angeschwollen. Oma, Opa und Papa haben nach ihm gerufen und sind aufgestanden. Er ist zu ihnen gelaufen. Opa und Papa stehen vor den Korbstühlen und sagen etwas wie „Hat dich eine Biene gestochen“, Oma ist in die Hocke gegangen und hat, während sie etwas Beruhigendes sagt, irgend etwas, seine Hand ergriffen. Sie steckt seinen Zeigefinger in ihren Mund, saugt daran, spuckt aus, saugt weiter.
    97
    An den Bäumen in den Alleen und Parkanlagen kann man schon die ersten Knospen sehen.
    98
    Vor dem Wohnhaus ist eine Baustelle. Ein Loch wurde gegraben, darüber ein gelbes Zelt aufgestellt. Bauarbeiter, die meisten Marokkaner, stehen in ihren orangenen Anzügen drumherum und unterhalten sich sehr laut. Manchmal verschwindet einer von ihnen im Zelt, im Loch. Ein beinahe unerträgliches Bohrgeräusch ist zu hören, das den ganzen Körper mitvibrieren läßt. Man könnte fast denken, die Lärmquelle komme von innen.

Costin goes and fucks himself

01
    Gaaaanz langsam öffnet er die Augen, macht „Umpf“, dreht sich zur Seite und zieht die heruntergerutschte Decke bis zum Kinn. Das Bettzeug riecht noch voll frisch. Die letzten Tage hat ihn der Mief ein bißchen aufgeregt. Aber als er heute morgen nach einem Vollbad, einer Rasur und all dem anderen Schnickschnack aus dem Bad kam, da war nicht nur sein Bett frisch bezogen, auch das Zimmer war gesaugt worden und wieder so einigermaßen aufgeräumt. Nichts mehr zu sehen von den Chips- und Salzstangenbröseln, den eingetrockneten Cola- und Bierlachen, den leeren Pizzakartons und Dosen auf dem Boden; auch der Aschenbecher: ausgeleert; und die herumliegende Wäsche: entweder mitgenommen, wahrscheinlich zur Reinigung, oder aber picobello zusammengelegt.
    „1 A Zimmerservice“, hat er jetzt tatsächlich gemurmelt, obwohl er das eigentlich nur denken wollte.
    Das Kissen ist weich, wie Daunen, der Satz ist ihm gleich danach eingefallen, und war das nicht der Refrain von so einem Song, von diesem Dortmunder Typen, der einen auf Tim aus Tim und Struppi machte? Er hat die Augen jetzt wieder geöffnet und gesehen, daß im Fernseher gegenüber vom Bettende lautlos eine Folge der Telenovela läuft, die er die letzten Nachmittage regelmäßig geguckt hat. Gerade ist Marcello in Großaufnahme erschienen, Zoom auf seinen bestürzten Gesichtsausdruck, wahrscheinlich erklingt gerade diese chromatische Synthie-Schicksalsmelodie dazu.
    Costin richtet sich kurz auf, sieht, daß die Fernbedienung auf dem Nachttisch liegt, und läßt sich zurück ins Bett fallen. Er blinzelt noch ein paar Minuten auf Roswitha, die mit Pedro streitet, vermutlich wegen seiner Affäre mit Frederica, Roswithas Schwester, mit der er, Pedro, es, als Roswitha im

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