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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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Autokennzeichens für deutsche Touristen gehalten hat und ihnen tatsächlich weismachen wollte, es gebe da eine neue Regelung, deutsche Touristen müßten bei der Einreise eine Einreisegebühr zahlen, bis Ana zu Costin laut auf rumänisch gesagt hatte: „Sieh dir das an, mein Junge! Der hält uns doch tatsächlich für dumme Deutsche!“ und der Zollbeamte knallrot angelaufen war und sie durchgewinkt hat, obwohl sie doch den Kofferraum voller zu verzollender Mitbringsel aus Deutschland hatten, eben diese Anekdote beginnt Ana für gewöhnlich damit, daß sie lächelnd abwechselnd auf Tante Maria und auf einen damals aus Deutschland mitgebrachten Gegenstand im Zimmer schaut, die Stehlampe zum Beispiel, so daß Tante Maria dem Blick folgt.
    Costin, der sich wieder an den Tisch gesetzt hat und die Ziegenkäse- und Olivenstücke aus dem Brot puhlt, hat zwei Gedanken. Numero uno: Was ihm seit längerem entfallen war und ihm jetzt wieder präsent ist, daß er auf den Rückfahrten von Bukarest Zigarettenstangen auf dem Rücksitz nach Deutschland geschmuggelt hat, die er dann in der Schule an die Stammkundschaft in der Raucherecke verkaufte. Tatsächlich war die Auftragslage zeitweise so gut, daß er sich, wie ihm einfällt, allen Ernstes überlegt hatte, das Zigarettengeschäft nach der Schule im großen Stil, vielleicht als zweites Standbein neben der Sängerlaufbahn, weiterlaufen zu lassen. Numero due: Tante Maria hat merkwürdigerweise all die Jahre immer schon so ausgesehen wie jetzt. Wenn sich Costin frühere Begegnungen mit ihr ins Gedächtnis ruft, aus der Zeit, als er noch zur Schule ging, dann hatte Tante Maria immer schon dieses volle weiße Haar, von Altersflecken übersäte Hände und trug immer schon die obligatorische Perlenkette sowie im Sommer Kleider mit Blumen drauf, obwohl, wie Costin weiß, von manchen von diesen Begegnungen Fotos existieren, auf denen eine entsprechend jüngere Tante Maria mit wasserstoffblondem Haar abgebildet ist.
    Ana ist aufgestanden und in die Küche gegangen. Sie kommt zurück, legt die aufgerissene Packung Gummibärchen – auf der Packung steht in goldener Schrift Gummibären , darunter, kleiner: NOU! – in die Mitte des Tischs und steckt sich ein grünes Gummibärchen in den Mund.
    Costin weiß, daß die Gummibärchen immer zur Care-Paket-Story führen.
    Tante Maria sagt, sie, Tante Maria, könne sich noch erinnern, daß die Briefe aus Deutschland bis ’90 manchmal mit braunem Klebestreifen ankamen, jemand mußte sie in Rumänien geöffnet und gelesen und wieder zugeklebt haben, Censurâ sei das gewesen, und bei Telefonaten, bei Telefonaten habe sie manchmal so ein Knacken in der Leitung gehabt, sie, Tante Maria, sei sicher, jemand habe das abgehört, manchmal sei noch immer ein Knacken in der Leitung, bei Ferngesprächen, und sie wisse dann nicht, ob da noch immer jemand das abhöre, und jetzt, die Gummibärchen – Tante Maria spricht „Gummibärchen“ mit rumänischem Akzent aus: „Gumibaarchn“ –, die erinnern sie immer an die Care-Pakete – Voilà, da isse! Die Care-Paket-Story! –, die Anas Eltern ihnen früher immer schickten, da haben als einziges regelmäßig die Gummibärchenpackungen gefehlt, wenn Steluţa von Elena am Telefon gefragt worden sei, ob sie, Tante Maria, sich denn über die Gummibärchen gefreut habe, habe Steluţa gesagt, daß doch gar keine Gummibärchen im Paket gewesen seien, bei der Post müsse es jemanden gegeben haben, der Gummibärchen mochte.
    Tante Maria steckt die Hand in die Gummibärchenpackung. Tante Maria wird sagen, daß sie früher, als Jugendliche, manchmal von Gummibärchen geträumt habe. Tante Maria sagt, es sei schon seltsam, früher, als Jugendliche, da habe sie sich so Süßigkeiten immer gewünscht, die waren so unerreichbar, und jetzt gebe es sie in jedem Supermarkt hier, in Bukarest, gleich nebenan, manchmal habe sie, Tante Maria, sogar von Gummibärchen geträumt.
    31
    Der Rumänien-Ferien-Costin, das wird Costin in diesem Moment klar, wo er in der Las-Vegas-Bar in Bukarest – gefühlte Uhrzeit: nach zwölf – seinem sehr entfernt, keine Ahnung wie weit entfernt, verwandten Cousin Tudor gegenübersitzt, den Rumänien-Ferien-Costin gibts nicht mehr, der ist tot. Und es würde Costin nicht wundern, wenn tatsächlich in dieser Sekunde eine aufleuchtende Glühlampe über seinem Kopf erschiene, Marke: Ich hab’s! Wenn Costin alias damals noch der Rumänien-Ferien-Costin mit Ana vor seiner PingPongs -Zeit hierher

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