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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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auf den Wangen in die Kissen zurück. Der Arzt sprang ihr bei, ein starkriechendes Mittel vor sie hinhaltend, worauf sie sich wieder emporraffte.
    »Noch zwei Geständnisse muß ich machen,« preßte sie mit Anstrengung heraus, »deren Verheimlichung meine Seele bedrücken würde.«
    »Sprich ohne Furcht,« sagte der König mild, indem er ihre Hand ergriff.
    Sie gestand hierauf, wie sie nebst ihrem Bruder das Schatzhaus bestohlen, und drang darauf, daß der König noch in dieser Stunde einen Beamten nach Memphis schicke mit dem Auftrag, ihren Bruder zur Rechenschaft zu ziehen, dann sagte sie: »Er hat verdient, gestraft zu werden, er ist schlecht.«
    Der König gab den Befehl sogleich. Dies schien die Sterbende sehr zu beruhigen; sie ermahnte den abgeschickten Boten dringend zur Eile. »Der Gerechtigkeit ist Genüge geleistet,« flüsterte sie ermattet. »Nun habe ich nur noch ein Wort an Menes zu richten.«
    Menes trat näher an ihr Lager heran, er fühlte Mitleid mit der Verblassenden, ob er sie gleich nie geachtet. Ihr jetziger Zustand versöhnte ihn jedoch mit allen ihren Untugenden. Sie öffnete den Mund und rang vergebens nach Atem. Sie mochte fühlen, daß es ihr nicht mehr gelingen wollte, in ihrer Schwäche dies letzte Geständnis herauszubringen. Die Anstrengungen, die sie machte, um sich die Worte abzuzwingen, versetzten sie in die lebhafteste Aufregung. Alle standen ihr bei. Man sah ihr an, wie sie sich selbst zürnte, wie sie dann alle ihre Kraft aufbot, um das Wort »Myrrah« hervorzuhauchen, welches Wort natürlich nicht verfehlte, Menes in große Spannung zu versetzen.
    »Was willst du mir von ihr sagen?« frug er, in den verstörten Blicken der Sterbenden lesend, daß sie ihm wichtige, vielleicht folgenschwere Entdeckungen zu machen sich gedrungen fühlte.
    »Myrrah,« hauchte die immer mehr Erblassende, »kaum als du fort warst, – Isaak – du bist betrogen – von –« hier hob sich die Brust der Hinschwindenden krampfhaft – sie sah den Jüngling an mit einem Blick, mit dem sie alles sagen wollte, mit einem verzweifelten Blick, als wollte sie ihn fragen: »Errätst du es denn nicht? Sei doch nicht so töricht, hilf mir!«
    »Betrogen?« stammelte Menes, »von wem? Laß mich nicht im Zweifel, quäle mich nicht, du lügst nicht, ich sehe es dir an; am Rande des Grabes spricht man die Wahrheit.«
    Die Jüdin schüttelte den Kopf. Todesblässe überzog ihre Wangen, schwer und kalt fühlte Menes ihre Hand in der seinen, der Druck ihrer Finger ließ nach.
    »Sprich! von wem betrogen,« schrie er ihr laut in die Ohren, wie er sah, daß die Kräfte aus dem Körper der Sterbenden wichen. »O seid barmherzig, ewige Götter, gebt ihr noch so viel Kraft, daß sie es über ihre Lippen bringt, was sie mir sagen will, eine bange Ahnung befällt mein Herz –«
    Der König winkte dem Verzweifelten, denn es war zu spät. Ein unsäglich mitleidiges Lächeln traf aus dem Auge Rebekkas den jungen Mann. Tränen quollen über ihre Züge, man sah, wie sehr sie ihn und wie sehr sie ihre eigene Hilflosigkeit bedauerte. Dann ward dies Lächeln starrer, immer starrer, immer ausdrucksloser, immer versteinter; der Blick verglaste sich, die Lippen liefen blau an, – ein Schauer! und sie hatte ihr abenteuerreiches Tänzerleben beschlossen. Bewegt hatte sich der König von der Leiche seiner Geliebten entfernt, Menes jedoch starrte ihr noch lange in das regungslose Gesicht, auf dem nun kein Lächeln mehr erblühen sollte, das keinen Liebhaber mehr reizte. Menes war es, als müßten ihm diese starren Lippen noch verraten können, was sie aussprechen wollten. »Was hat sie dir verkünden wollen! Betrogen hatte sie gesagt. Betrogen! kaum als du von Memphis abgereist.« Auch diesen Isaak brachte sie in Verbindung mit Myrrah. Was konnte zu Hause geschehen sein? Die abgebrochenen Andeutungen der Sterbenden ließen seiner einmal erregten Phantasie keine Ruhe mehr, sie bildete sich, aus dem nebelhaft Ungewissen, selbstquälerische Gestalten, sie marterte sich ab zu erraten, sie zog die verwegensten Schlüsse, die er kaum auszudenken wagte, die nur furchtsam am fernsten Horizonte seines Gemüts auftauchten, um bald wieder anderen Platz zu machen. Diesen Zustand der Ungewißheit vermochte er nicht länger zu tragen. Er bat den König um Urlaub, nur die schleunige Reise nach Memphis könne ihn dieser Seelenmarter entreißen. Der König bewilligte den Urlaub, und nach wenigen Tagen sehen wir unseren Freund dem Hafen von Theben

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