Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
in dem Jüngling wieder, auch deutete er ihm mehreremal leise an, daß er die jener ihm unbekannten Geliebten gezollte Treue hochachte. –
Es waren aus verschiedenen Teilen der durch Ramses eroberten Länder Sendungen von Tributen eingegangen. Gegen Abend des folgenden Tages nahm der Monarch die Gegenstände in Augenschein. Im Garten hatte man die Käfige der wilden Tiere aufgestellt, zwischen denen Ramses in Begleitung seines Freundes einherwandelte, sich besonders an den Affen Äthyopiens ergötzend, deren menschenähnliche Grimassen ihm manches Lächeln abnötigten. Er hatte sich noch nicht lange diesem Vergnügen hingegeben, als ein Diener ihn nebst Menes bat, ihm zu Rebekka zu folgen, es stehe schlimm mit der Jüdin Gesundheit. Rebekka hatte nämlich einige Tage das Zimmer gehütet; der Arzt hatte ihr Unwohlsein einer Erkältung zugeschoben, nun aber schien das Übel bedenklicher werden zu wollen. Sogleich verließ der König den Garten; Menes folgte ihm nach Rebekkas Gemach. Als sie eintraten, sahen sie Rebekka mit geschlossenen Augen auf dem Ruhebett liegen; der Arzt saß neben ihr, sie scharf beobachtend. Leise erkundigte sich Ramses bei diesem, welchen Weg die Krankheit genommen. Der Arzt wollte eben antworten, als Rebekka die Augen aufschlug, lächelte und, indem sie ihrem königlichen Freund müde die Hand reichte, sagte: »Ich danke dir, daß du kommst. Du siehst mich zum letztenmal.«
»Redet sie irre?« frug der König erschrocken den Arzt, welcher der blassen, auffallend hohl blickenden Jüdin die Kissen ordnete.
»Leider,« versetzte der Arzt bedächtig, »muß ich glauben, daß sie die Wahrheit redet, mein Gebieter.«
»Die Wahrheit?« sagte der König mit matter Stimme. »Soll auch sie mir entrissen werden?«
Ramses liebte die schöne Jüdin eigentlich nicht. Seine Neigung zu ihr war mehr sinnlicher Natur gewesen; die Beweglichkeit, die anmutige Schalkheit der Schönen hatten ihn wohl erheitert, jedoch ernstere, dauerndere Gefühle hatte sie ihm nicht einzuflößen vermocht. Als er sie nun elend vor sich liegen sah, als er sah, daß sie ihm genommen werden sollte, verbreitete sich seine Trauer mehr ins Allgemeine; er gedachte schwermutsvoll der Vergänglichkeit irdischer Schönheit, der Hinfälligkeit des Menschengeschlechts.
»Vor den Pforten des Todes stehen wir noch nicht,« sagte er lächelnd zu der Kranken, »wir werden noch manche glückliche Stunde miteinander durchleben.«
Die Kranke schüttelte traurig das Haupt.
»Ich bin vergiftet,« lispelte sie, »ich habe geahnt, daß es so kommen werde.«
Ramses wandte sich bestürzt zum Arzt, der das Wort der Jüdin bestätigte. Die verstorbene Königin müsse es noch bei Lebzeiten fertig gebracht haben, die Speisen der Unglücklichen mit schleichendem Gift zu versetzen, war des Arztes Meinung. Die Gaben hätten anfangs den Körper der Tänzerin kaum berührt, bis sie ihn nach und nach erschüttert; jetzt sei nicht mehr zu helfen, die inneren Teile seien zu bedeutend von dem Gifte durchdrungen.
»Also auch gänzlich unbeteiligt Unschuldige ziehen sie ins Grab hinab?« rief der König. als er dies vernommen, aus.
»Nicht Unschuldige,« entgegnete reuemütig die Jüdin, »ich war schuldig.«
»Du – schuldig?«
Sie klärte ihren Gebieter auf, erzählte ihm ihre ganze Verführungsgeschichte und stellte ihren Tod als gerechte Strafe hin. Der König war tief erschüttert, als er dies unter Tränen und häufigen Anfällen von Krämpfen hervorgestammelte Bekenntnis erhielt, er war aber edel genug, der Sterbenden keine Vorwürfe mehr zu machen. Menes erinnerte sich, daß die Verschworenen, als er sie belauscht, über Rebekkas Mitwissenschaft und Teilnahme gesprochen; damals hatte er diese Andeutungen nicht verstanden und sie weiter nicht des Nachforschens für wert gehalten. Er teilte dies jetzt dem König mit und bestätigte dadurch die Aussagen der Sterbenden.
»Wir wollen davon schweigen, Rebekka,« sagte der König freundlich, »du bist nicht schuldig, die Gerichteten waren es, nicht du. Man hat sich deiner Schwächen bemächtigt. Auch ist deine Schuld schon dadurch gesühnt, daß du Menes den Ort der Verschwörung verrietest. Denke der Sache nicht weiter nach.«
»Und so verzeiht mir, mein edler Herr?« schluchzte sie, sich an des Königs Hals werfend.
»Ich verzeihe dir, du hast mir manche glückliche Stunde bereitet,« erwiderte der Herrscher mitleidig, »du standest meinem Herzen nahe.«
Die Kranke sank mit glücklichem Lächeln
Weitere Kostenlose Bücher