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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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zuschreiten, wo ihn ein schlankes königliches Fahrzeug erwartete, das den Befehl hatte, ihn unverzüglich nach Memphis zu bringen. Er schritt in Gedanken versunken die breite Steintreppe hinab, welche sich in die Fluten des Nil tauchte, ohne auf den ihn umtosenden Lärm zu achten. Gleichgültig flog sein Auge über die Hunderte von Masten, die vor ihm in die Lüfte starrten, über die Warenballen, die, von kräftigen Schultern gehoben, einherschwankten. Er hatte nur sein Schiff im Auge, das er nun erreicht hatte, und dem er Flügel wünschte. Eben wollte er das Brett betreten, als er, ohne es zu wollen, an einen Verkäufer stieß, der ein halb Dutzend kleiner Vogelkäfige auf dem Kopfe trug. Die kleinen Sänger kreischten auf, der Mann fluchte, und Menes wollte ihm, um ihn zu besänftigen, rasch ein Geschenk reichen. Er hatte schon die Hand ausgestreckt, da fiel sein Auge auf das neben dem seinen liegende Schiff. Er hielt unwillkürlich inne, sah mit immer mehr sich vergrößernden Augen nach der Falltreppe hinüber und eilte dann in höchster Erregung mitten durch die dichteste Volksmenge auf das andere Schiff zu. »Wen sucht er dort?« frug sich sein ihn begleitender Diener, der nicht wußte, was er von dem plötzlichen Davonlaufen seines Herrn halten sollte. Menes hatte ein Weib das Ufer betreten sehen, bei dessen Anblick er im Anfang zu träumen glaubte. War sie es wirklich? Und zu welchem Zwecke kommt sie hierher? Er teilte kräftige Stöße aus, warf einen Kasten voll Gänse über den Haufen, trat einige Töpfe zu Staub, die ihm im Wege standen, und gelangte nach vielen Fährlichkeiten an die Treppe des Schiffes. Dort war leider die Gestalt, welche seine Aufmerksamkeit so lebhaft auf sich gezogen, nicht mehr zu erblicken. Sein Diener kam näher.
    »Rasch, folge mir!« rief er diesem zu. »Wir müssen sie finden. Eile mir nach.«
    »Wen sucht Ihr so eifrig?« frug der Diener.
    »Sahst du sie nicht, die Frau mit dem blauen Gewand?« frug Menes heftig, »die den Kopf so stolz trug? Drei Sklavinnen trugen ihr den Schirm.«
    Dem Diener war, als ob er eine solche Gestalt gesehen; er folgte dem voraneilenden Herrn, ebenso spähende Blicke um sich werfend, wie dieser. Sie waren durch mehrere Straßen geeilt, als Menes einen Freudenruf ausstieß. Dort wandelte eine stolz schreitende Dame dem Königspalast zu.
    »Sie ist's,« rief er, »es ist meine Mutter.«
    Noch wenige Schritte und er hatte sie erreicht. Das Wiedersehen war auf beiden Seiten ein wirklich herzliches. Menes küßte gerührt die Hände Assos und diese sah mit Stolz auf ihren so hoch in der Gunst des Königs gestiegenen Sohn. Bis in ihr fernes Memphis war die Kunde von seiner Erhöhung gedrungen. Wie oft hatte sie sich in Frauengesellschaften mit seinem Ruhme gebrüstet.
    »Du erfreust das Herz deiner Mutter,« sagte sie, »aber erlaube mir, daß ich dich jetzt mit mehr Ehrfurcht anrede als früher, mein mächtiger Sohn.«
    Ihr Benehmen ward ein sehr demütiges, sie verbeugte sich öfter respektvoll vor Menes, stellte ihn ihren Dienerinnen als einen Großen im Reiche vor und schien mit einer Art Genuß ihre Niedrigkeit zu betonen; man sah ihr an, daß sie in den Strahlen seines Ruhmes schwelgte, was ihn den Bescheidenen in nicht geringe Verlegenheit setzte. Auch bis zu ihr war die Kunde gedrungen, er werde die Tochter des Königs zum Weibe erhalten. Als sie danach frug, lenkte der Jüngling verstimmt von diesem Thema ab. Er wollte vor allem von Myrrah hören und stellte in dieser Beziehung mehrere Fragen, die Asso anfangs absichtlich überhörte, als er sich jedoch geradezu nach ihr erkundigte, nahm seiner Mutter Gesicht einen traurigen Ausdruck an.
    »Laß uns,« sagte sie, »an einen stillen Ort kommen, an dem wir ungestört sind, dort werde ich dir von Myrrah berichten, so lange zähme deine Neugierde.«
    Menes führte sie klopfenden Herzens in den Palast. Die scheue Zurückhaltung über Myrrahs Leben, die er in Zusammenhang brachte mit den Rätselworten der sterbenden Rebekka, flößten ihm Besorgnis ein; seine Mutter war von dem Augenblick an, als er den geliebten Namen genannt, sehr wortkarg geworden. Hastig schritt er voran nach seinem Zimmer, wo er für einige Erfrischung sorgen ließ. Natürlich ließ es Asso nicht an bewundernden Ausrufen fehlen, die Pracht des Königspalastes betreffend; die gute Frau kam fast um die Ruhe ihres Gemüts, als sie die reich ausgestatteten Zimmer ihres Sohnes betrat. Sie untersuchte mit wichtiger Miene die

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