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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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zu durchfliegen. Diese Unvorsichtigkeit wäre ihm beinahe schlecht bekommen; der Oberaufseher nämlich, der ihn beobachtet hatte, riß ihm das Blatt aus den Händen.
    »Was liest der elende Ebräer?« schrie er, »Lesen ist Gift für euch; das macht euch klug, und wir können euch nur brauchen, wenn ihr wie die Tiere seid. Lesen die Hunde auch? Für jeden Buchstaben einen Geißelhieb; entblöße den Nacken.«
    Isaak erbleichte; wenn des Wütenden Blick auf das Geschriebene fiel – er war verloren.
    »Was ist das für ein erbärmliches Geschreibe,« höhnte der Beamte weiter, »laß mich es lesen –«
    »Herr,« stammelte der verwirrte Jude endlich, »es sind – es sind Gebete!«
    »Wie?«
    »Ebräische Gebete, die Euch gewiß nur langweilen oder gar empören, gebt sie mir zurück.«
    »Gebete?« lachte der Ägypter, »wirklich? O du frommer und getreuer Isaak.«
    Schon entrollte der Aufseher das Blatt, schon begann er nach dem Anfang zu suchen; Isaak sah das Henkerbeil dicht an seinem Halse, er streckte die Hand krampfhaft nach dem Blatt aus; seiner wie zugeschnürten Kehle entrangen sich ächzende Laute.
    »Es ist nicht zu entziffern,« sagte der Aufseher, und aus seinen Händen flog der Papyrus in das Feuer, welches sich in der Nähe befand, um allzu nasse Ziegel rascher zum Trocknen zu bringen.
    Mit welch erleichtertem Herzen Isaaks Auge der Vernichtung des verhängnisvollen Schriftstücks folgte, läßt sich denken.
    Als er gegen Abend zu Hause ankam, trat ihm Rebekka, ihre Erregung dämpfend, entgegen.
    »Sieh, Isaak,« flüsterte sie, »mein Tanzen brachte nur an diesem Tag genug ein, um eine Laterne mit allseitigem Glasverschluß und diesen Dolch zu kaufen. Beides werden wir brauchen können, denn ich wünsche, daß du, sobald die Nacht über den Dächern von Memphis hängt, den gefahrvollen Gang nach dem Schatzhause wagst.«
    Isaak erbleichte bei dieser Auseinandersetzung. Rebekka, als sie gewahrte, wie er die Ausführung gerne hinausgeschoben, versuchte zu lachen. Sie warf sich darauf an seinen Hals, liebkoste ihn, streichelte ihm die blassen Wangen und bat ihn, Mut zu fassen; sie wolle, sobald der Mond aufgegangen sei, sich an die Paläste heranschleichen, um dort die Wächter mit ihren Künsten zu umstricken; er solle sich, solange dies geschehe, im Schilf des Nil versteckt halten, bis sie ihn rufe.
    »Mut, Brüderchen,« lächelte die Schlaue, »du zitterst, wie eine kranke Tänzerin, wie kannst du den Anblick der königlichen Kostbarkeiten ertragen? Ihr Anblick wird dir den Erstickungstod bringen. Sei feierlich und stille, wie ein ägyptischer Priester, wenn er sich vor seinem Steingott verbeugt. Schreite dumm und gleichmütig durch die Straßen, wie der Stier Apis, wenn er in Prozession umhergeführt wird, und lasse keine Seele ahnen, was du in deinem Busen für glühende Plane nährest. Übrigens werde ich den Dolch zu mir stecken, denn deinen zitternden Händen entfällt er, ich aber, die Biene, brauche den Stachel.«
    »Glaubst du, ich sei so mutlos?« sagte Isaak, »wenn ich zittere, ist es vor Entzücken, vor Erwartung; alle meine Adern sind gespannt zu dem Werk, wie Bogensehnen.«
    Darauf führte ihn Rebekka heiteren Sinnes vor einen reich mit Speisen besetzten Tisch, indem sie ihm erklärte, ein befriedigter Magen sei die Triebfeder jeder großen Tat, ein leerer Magen bedinge einen leeren Kopf, und Gott habe nur deshalb die Welt so schön schaffen können, weil er nie Hunger zu leiden brauchte. Sie habe mühsam genug Wein und Braten ersungen, aber er solle unbesorgt essen, sie würde vom Zusehen satt. Isaak fiel mit staunenswerter Geschicklichkeit über die Speisen her, indessen sie sich an seiner Gier ergötzte. Endlich machte sie ihn darauf aufmerksam, daß die Schüsseln geleert seien, und daß der Mond am Himmel stünde; es sei Zeit, zum geheimen Wagnis zu schreiten. Eben wollte Isaak die Laterne ergreifen, da pochte es heftig an die Türe. Ohne den Willkomm abzuwarten, schritt ein königlicher Beamter, angetan mit dem gestreiften Kopftuch, ins Zimmer, indem er eine Papyrusrolle entfaltete und dieselbe den beiden Erschrockenen, die schon an Gefangennahme dachten, vorhielt.
    »Lest,« sagte er kurz, »habt ihr verstanden? Was steht das Judengesindel und starrt mich an, als sei ich eine dem Grabmal entstiegene Mumie?«
    Rebekka gewann zuerst wieder die Sicherheit ihrer Sinne. Sie überflog das Blatt und sprach darauf zu Isaak, während der Beamte die Rolle einsteckte: »Es ist allen Juden

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