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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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was sich dir nun enthüllen wird, lerne die Vorsorge deiner mütterlichen Freundin kennen. Ja, gewiß! ich habe mir dein Wohl sehr angelegen sein lassen, ich habe manche Nacht schlummerlos mit dem Gedanken hingebracht: wie ich dein Leben werde am glücklichsten gestalten können. Du wirst mir dies, hoffe ich, nie vergessen.«
    Sie strich mit ihrer warmen, breiigen Hand über die dunkeln Haare Myrrahs, während sie zu Isaak hinüber rief:
    »Ist sie nicht schön, Isaak? Welcher Wuchs! Welcher schlanke, zarte Gliederbau! Ja, mein Sohn hatte Geschmack.«
    Isaaks Blicke liefen funkelnd am Körper des Mädchens in die Höhe, was diese, obgleich sie nicht aufsah, mit Grauen fühlte. Eine unerklärliche Bangigkeit schnürte ihr den Atem in der Brust fest, es war ihr, als sei der letzte Augenblick ihres Daseins gekommen, oder als wolle man Menes vor ihren Augen hinrichten.
    »Sieh! gutes Kind,« fuhr die Dame gnädig fort, »dieser achtbare Mann, den du kennst, hat sich entschlossen, nachdem ich ihm dazu geraten – um es unverhohlen herauszusagen – –«
    Sie räusperte sich verlegen, die Worte wollten ihr nicht über die Lippen, endlich richtete sie sich errötend an Rebekka:
    »Sage es ihr, Rebekka,« flüsterte sie.
    Rebekka betrachtete ihre frühere Freundin mit einem halb mitleidigen, halb schadenfrohen Blick. Wohl mochte sie jetzt an die im Schatzhaus gefundene Urkunde denken – denn sie flüsterte ihrem Bruder die Worte: »Sieh! das Königskind,« in die Ohren und setzte dann laut mit scherzendem Tone hinzu:
    »Isaak hat, mit Erlaubnis, oder besser auf Wunsch Assos beschlossen, dein Gatte zu werden.«
    Nach diesem Ausspruch folgte eine Pause, aller Augen richteten sich neugierig forschend auf Myrrah.
    »Sieh nur, wie sie drein schaut,« lachte Rebekka zu ihrem Bruder hinüber, der ein wohlwollendes Gesicht zu machen suchte, was ihm aber nicht gelang.
    »Nun, du umarmst mich nicht?« sagte darauf Asso, »du nennst mich nicht deine gute Mutter? Schrick nicht zusammen und wirf keine solchen Blicke des Entsetzens auf den ehrlichen Isaak. Ich habe dich ihm zum Weibe bestimmt und er ist es zufrieden. Ich habe ihm im Westen von Memphis, an der Straße, die nach den Pyramiden führt, ein Landhaus gekauft, wo du mit ihm in glücklicher Ehe deine Tage hinbringen magst – sprich! wer hat mehr Ursache dankbar zu sein als du?«
    Asso hatte in der Tat dem Juden eine schöne Villa geschenkt, sowohl, um ihn leichter zu bestimmen, die Hand des Mädchens anzunehmen, als auch, um der Geliebten ihres hintergangenen Sohnes einigen Ersatz zu gewähren. Sie glaubte durch diese Schenkung ihr Unrecht völlig gut gemacht zu haben. Isaak seinerseits kam dieses Geschenk sehr erwünscht, durfte er doch von nun an seine aus dem Schatzhaus des Königs entwendeten Schätze dem Tageslicht offen zeigen, ohne daß er das Erstaunen der Welt zu sehr zu fürchten brauchte. Die Welt würde jedenfalls Argwohn geschöpft haben, wenn ein unbemittelter Ebräer urplötzlich, ohne ersichtliche Ursache, sich in einen reichen Mann verwandelt hätte. So aber ließen sich unter dem Deckmantel eines Geschäftes allmählich die goldenen Wogen des Schatzhauses bequem ausschöpfen.
    Welchen Eindruck die Enthüllung dieses grausamen Vorhabens auf Myrrah machte, läßt sich kaum schildern. Anfänglich hörte sie die Worte ohne ihren Sinn zu fassen; als man ihr dieselben noch einmal wiederholte, verriet nur ihre totenähnliche Blässe, der starre Ausdruck ihrer Augen und etwa das krampfartige Zucken ihrer bläulich gewordenen Lippen die innere Qual, welche ihr der Gedanke verursachte, für immer das Weib Isaaks sein zu müssen, und Menes schändlicher-, heimtückischerweise entrissen zu werden.
    Das also war das Geheimnis, welches sie so lange umschwebt? Man wollte sie hinter dem Rücken ihres Freundes, der keine Ahnung von der Abscheulichkeit seiner Mutter, von der traurigen Verlassenheit seiner Geliebten hatte, gewaltsam an einen Fremden verheiraten? Und gar an den verhaßten Isaak? Die Größe dieser Unmenschlichkeit sank wie ein stürzendes Haus über ihr zusammen; ihre Gedanken irrten zerschmettert durcheinander; nur die eine Vorstellung drängte sich immer wieder durch alle anderen hindurch: Für dieses Leben hast du ihn verloren.
    Dann wiederum rief es in ihr: »Oh, warum kann er nichts wissen von deiner Qual!« Es war ihr, als müsse sie ihn über Berg und Fluß erreichen mit ihrer Stimme, als müsse er in seinem fernen Theben unbedingt eine Ahnung haben von

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