Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
alles schweigt und bleibt fühllos – sie schreibt – es ist geschehen – nichts kommt mir zu Hilfe – ich muß es dulden, das Unerträgliche. Ich muß es dulden!«
»Dulden,« stöhnte sie noch einmal aus tiefster, gequälter Brust hervor, dann sank sie mit dem Haupte machtlos auf die Tischplatte, während Isaak, unter tröstendem Zuspruch, sie sanft emporzuheben bemüht war.
Während dieser wie im Wahnsinn hervorgestammelten Worte Myrrahs hatte Rebekka mit kaltem Lächeln die Hände des Mädchens, die sich krampfhaft um den Arm der erschrockenen Asso gekrallt, losgewunden und so der Witwe Raum und Zeit verschafft, rasch ihren Namen unter die Rolle zu setzen. Die vornehme Dame atmete aufgeregt, als sie die Feder nach Beendigung des Unterschreibens auf den Tisch warf und ihr Blick auf die Zusammengesunkene fiel. Selbst ihr schien dieser Auftritt peinlich, sie mochte daran denken, welche Verantwortung sie in diesem Augenblick auf sich genommen, welche Folgen diese herrische Tat nach sich ziehen konnte. Nach einer kurzen Erholungspause klatschte sie in die Hände, worauf zwei Schwarze erschienen.
»Steht die Sänfte bereit?« frug sie mit noch unsicherer Stimme.
»Ja, Herrin,« erwiderte der eine.
»Gut! Isaak, ich überlasse es dir, dein Weib – denn diese Federstriche haben sie dazu gemacht – nach deiner Wohnung zu führen. Diese beiden Sklaven mögen dir bei diesem Werke behilflich sein, wenn es etwa nicht ohne Schwierigkeit ablaufen sollte. Die Sänfte steht bereit. Ich kann nicht länger hier verweilen.«
Asso hatte die Worte hastig hervorgestoßen und entfernte sich dann rasch, um nicht Zeuge der jetzt folgenden, herzzerreißenden Szene sein zu müssen. Isaak suchte sich dem Mädchen verständlich zu machen; umsonst; sie klammerte sich an den Tisch, taub allen Bitten und Befehlen. Es blieb dem vor Begierde zitternden Eheherrn nichts anderes übrig, als seine Frau gewaltsam, wie eine festgewurzelte Efeuranke, von dem Tische loszureißen, wobei ihm Rebekka behilflich war. Eben wollten die Sklaven auf den Wink des Juden zugreifen, da trat bei der bisher wie ohnmächtig Daliegenden eine auffallende Veränderung ein. Ein plötzlicher Gedanke mußte in ihr aufgestiegen sein, denn in kurzer Zeit hatte sie sich gefaßt; sie erhob sich, wobei es wie Triumph über ihr blasses Gesicht leuchtete. Dann gab sie mit einer stummen Bewegung der Hand zu verstehen, es sei nicht nötig, sie mit Gewalt in die Sänfte zu bringen. In ihrem Auge schimmerte es wie eine entfernte Hoffnung, als sie sich jetzt zu dem erstaunten Isaak wendete.
»Und du willst mein Gatte werden?« sagte sie mit einer gewissen höhnischen Ruhe.
»Ja,« sagte dieser kleinlaut, »wenn du erlaubst –«
»Und du fürchtest dich nicht vor mir?« frug sie weiter.
»Fürchten? Warum? Ich liebe dich!«
»Gut, ich folge dir!« brach sie das Gespräch mit seltsamem Lächeln ab.
Sie schritt allen voran nach der harrenden Sänfte. Als sie fast den Ausgang erreicht hatte, entschuldigte sie sich, sie habe ihr Kopftuch vergessen, sie müsse noch einmal zurück. Ein Sklave wollte es holen, sie jedoch hieß ihn bleiben, sie wolle selbst gehen. Rasch eilte sie den Gang hinab nach dem Zimmer, das sie soeben verlassen. Kaum hatte sie es betreten, so warf sie einen aufgeregten Blick ringsum.
»Dort sah ich ihn glänzen,« murmelte sie, »ja, er ist's.« Rasch schritt sie auf ein niedriges Eckbrett zu. Dort lag unter allerlei Schmuckgegenständen, Ketten, Armspangen und dergleichen ein kostbarer Dolch, wie ein alter Sünder unter unschuldigen Kindern. Hastig steckte sie den Glänzenden zu sich.
»Du sollst mein bester Freund werden, kleiner leuchtender Mörder,« sprach sie mit wildem Lächeln, ihn streichelnd, um ihn darauf unter ihrem Brusttuch zu verbergen. »Dich legte mir Jehova hierher, auf dich ließ er meine Augen fallen in meiner höchsten Not, du leuchtest mir wie ein Strahl von oben. Sei mir dienstbar!«
Sie wandte sich nach der Türe; sie bebte zurück, denn dort stand Isaak, ohne daß sie bemerkt hatte, wie er ihr gefolgt war.
»Was suchst du?« rief sie erschrocken.
»Dich,« sagte er.
»Hier bin ich, laß uns gehen.«
»Hast du dein Kopftuch gefunden?« frug er zärtlich.
»Du siehst es,« sagte sie, ihn scharf beobachtend.
Beide schritten nebeneinander der Sänfte entgegen, sie ungewiß, ob er Verdacht schöpfe, er liebestrunken, vor Sehnsucht kaum mehr seiner mächtig.
»Du mußt dich wärmer kleiden,« lispelte er weich, ihr seinen
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