Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
nicht bemerkt hatte, da sein zierlicher Leib von den massigen Körperformen der Herrin bedeckt war.
Lächelnd beugte er seinen kahlgeschorenen Schädel zu dieser herab.
»Lebe wohl,« sagte er mit der jovialen Stimme eines alten Hausfreundes, »lebe wohl, meine Teuerste; die Zeugnisse und Schriftstücke, welche die Ehe dieses jungen Mädchens mit diesem Manne betreffen, sind geordnet, es steht nichts mehr im Wege, es wird nur noch deine Unterschrift gefordert, Asso.«
Hatte Myrrah recht verstanden? Sprach man von ihr? Die Ohren summten ihr, sie mußte sich an dem Türpfosten halten.
»O Gott meiner Väter, was steht mir bevor!« rief es in ihrem tief aufseufzenden Busen, »welche Schändlichkeit soll hier verübt werden? Nein, es ist nicht möglich! Ich habe mich getäuscht, ich träume! Das ist alles ein böser Traum!«
Asso hatte sich erhoben.
»Ich danke dir, Metro, für deinen Beistand,« sagte sie, »du hast mir einen großen Gefallen erwiesen.«
»Gern geschehen,« lächelte der Nomarch von Memphis, denn das war er. »Du hättest dir übrigens denken können, daß eine Jüdin rechtlos ist, und daß du mit deiner Sklavin so ziemlich beginnen kannst, was du willst; solange du ihr nicht nach dem Leben trachtest, geht uns Beamten deine Behandlung nichts an.«
Immer banger legte es sich um das Herz des gequälten Mädchens, die Worte des Sprechenden brausten wie Katarakte an ihrem Ohre vorbei.
»Du willst schon gehen, Metro?« frug Asso mit angenommener Enttäuschung, »willst du mir meinen schönen Abend verderben? Du weißt, welchen Wert ich auf deine Unterhaltung lege, sie ist so erfrischend, so prickelnd, sie ist für mich, was das Lilienöl für eine schöne Mädchenbrust, sie glänzt und gibt Glanz, Duft.«
»Du weißt zu schmeicheln, wie ein assyrischer Höfling,« lächelte Metro, sein Gewand in elegante Falten legend, »wenn ich in deiner Nähe gut zu sprechen weiß, ist das sehr erklärlich, denn wen ließe die Schönheit gleichgültig? Allen anderen gegenüber bin ich plump wie ein Nilpferd, wenn jedoch dein Auge auf mir ruht, strömen meine Worte dahin, wie die Wolken aus der Weihrauchpfanne des Priesters.«
»Bleibe noch ein wenig!«
»Unmöglich, liebste Frau! Geschäfte und wieder Geschäfte,« sagte der hohe Beamte eilfertig, »kann unmöglich bleiben, so gerne ich deine Gegenwart genieße. Erstlich: Kosten der neuen Wasserbauten berechnen! Neue Pläne für dieselben durchsehen; Arbeiter auszahlen! Dann des Königs Bildsäule unter meiner Leitung wieder aufrichten – du weißt, sie liegt beschädigt am Fuße der Pyramide. Soll ein ähnliches Denkmal werden, wie das des Königs Möris am Mörissee! Dann Truppen nach Theben senden – Staatsgeheimnis – bst!«
Er legte wichtig den Finger auf den schmalen Mund.
»Ist es wahr,« flüsterte Asso, sich an des Nomarchen Seite stehlend, als sie das Wort »Staatsgeheimnis« vernahm, »ist es wahr, Urmaa-nofru-râ, die Königin, habe mit ihrem Stiefsohn dem König feindselige Absichten gezeigt? Man flüstert von einer Verschwörung gegen sein Leben – selbst Psenophis, der Oberpriester, soll –«
Rebekka hob bei diesem Wort lauschend das Haupt, jedoch der Nomarch fiel der hohen Frau hastig in die Rede.
»In diesem Punkte, weißt du,« sagte er mit gemachter Heiterkeit, »hört unsere Freundschaft auf. Weiß von nichts, darf nichts sagen. Weiber zu Vertrauten nehmen? Lieber den Wind dazu nehmen, lieber die Wellen des Nil oder die geschwätzigen Vögel im Rohr. Gute Nacht! Mög' Isis deinen Schlaf bewachen bis zum Morgen.«
Mit diesen Worten schlüpfte er behende durch die Türe, unserer Myrrah einen gnädigen Blick zuwerfend.
Isaak legte das Schriftstück auf den Tisch, das er bis jetzt in den Händen hatte.
»Es ist alles in Ordnung,« sagte er darauf mit kriechender Höflichkeit, »auch wage ich es, die Herrin daran zu erinnern, daß Myrrah eintrat.«
»Eingetreten? Ah! ich habe es übersehen,« entgegnete Asso sich umwendend. »Gut! So will ich ihr dies Glück verkünden, was hältst du davon, Rebekka?«
Ein listiges Augenblinzeln flog bei diesen Worten zu Rebekka hinüber, welche ein leises Kichern vernehmen ließ, das sagen zu wollen schien: ich bewundere dich, Herrin!
»Komm näher, gutes Kind,« wendete sich sodann Asso an die verschämt im dunkeln Hintergrund stehende Myrrah, »komm, gib mir deine Hand. Nicht wahr, ich sehe es deinen Augen an – du bist erstaunt, uns hier in feierlicher Versammlung sitzen zu sehen? Gib acht!
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