Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Ramses dem erstaunten Menes an, daß er argwöhne, seine eigene Familie sinne auf seinen Untergang. Besonders seinem Sohn Cha-em-dyam (der sonst sein Liebling gewesen) müsse er mißtrauen; auch seine Gemahlin Urmaa-nofru-râ hege schlimme Pläne im tückischen Busen. Nur seiner Tochter Asa-Termutis sei er versichert; er wisse, daß sie ihn liebe. Auf das Befragen des jungen Mannes, wodurch er sich den Haß seiner nächsten Verwandten zugezogen, erklärte Ramses, daß sein Sohn ebenso wie Urmaa-nofru-râ wünschten, das immer mehr sich verbreitende Geschlecht der Ebräer gänzlich vertilgt zu sehen. Es beruhe auf Wahrheit, meinte er, daß die Ebräer viele ihrer schlimmen Eigenschaften zum Nachteil seines Volkes zur Geltung brächten, jedoch könne er sich nicht entschließen, auf eine grausame Art gegen diesen Stamm vorzugehen. Die Priester, erzürnt über seine Langmut, seien seine heimtückischsten Feinde, ja ihre Verruchtheit fürchte er am meisten; ihrem Rate folgend, habe er (da auch das befragte Orakel zu Amun es gewünscht), wie er jetzt tief bereue, beim Antritt seiner Regierung den Befehl gegeben, alle erstgeborenen Ebräerkinder zu töten. Seine Lieblingstochter Asa-Termutis habe einen zarten Knaben gerettet, dem die Priester, da er sie an Weisheit überträfe, nach dem Leben trachteten, obgleich der Jüngling unter dem persönlichen Schutze der Prinzessin stände. Er wisse sicher, daß sein Vater Seti der Erste eine Jüdin geliebt, und ihm selbst gefielen die Weiber der Juden ihrer helleren Hautfarbe wegen; er wolle dies Volk allmählich mit dem seinigen zu verschmelzen suchen; Heiraten zwischen Ebräern und Ägyptern würde er aus diesem Grunde erlauben, wenn auch die Priester dagegen eiferten. Menes dachte dabei lebhaft an Myrrah, verbarg aber dies Geheimnis noch im hochaufschlagenden Busen.
»Und so,« schloß der Monarch, »bin ich zwar als Sieger hervorgegangen aus den Kämpfen mit den Chetas; meine Kriegskeule ragte ob ihren Häuptern; sie sanken hin vor meinem Streitwagen wie Stroh, aber nun erhebt die Feindschaft meiner Nächsten ihr listiges Haupt, um mich zu vernichten; dieser Pfeil, den du heute morgen mit deinem Leib auffingst, wer weiß, ob er nicht vielleicht von meinem eigenen Fleisch geschmiedet, von einer Hand auf die Sehne gelegt worden war, die mich hegen und pflegen sollte. In meinem Reich herrscht Friede; jeder ist sicher; ein schwaches Weib könnte allein von Memphis bis Theben wandeln ohne Furcht! Nur ich selbst, der diese Ordnung mit der Schärfe meines Schwertes geschaffen, ich stehe unsicher auf einsamer Höhe; meine Familie bedroht mich, und dies Priestergeschlecht hebt seine Hand auf gegen mich!«
Kaum hatte der Herrscher geendet, so wurden Stimmen vor der Türe laut. Ein Sklave meldete Urmaa-nofru-râ, Asa-Termutis, nebst dem Prinzen Cha-em-dyam. Des Königs Züge verfinsterten sich, als er die Meldung dieses Besuches vernahm, er wollte den Wink geben, die Eintrittbegehrenden nicht vorzulassen, doch ein Blick auf Menes bestimmte ihn anders.
»Beobachte sie,« flüsterte er dem Jüngling zu, »ich hätte sie abgewiesen, wenn ich nicht dein Hiersein als Gelegenheit benutzen könnte, das Betragen meiner Verwandten von den Blicken eines unbeteiligten Zuschauers prüfen zu lassen. Du wirst mit Schrecken wahrnehmen, daß ich dir kein Märchen erzählt! Raffe all deinen Scharfsinn zusammen und suche in die geheimsten Falten ihrer Züge einzudringen.«
Der Vorhang rauschte auseinander; die Königin, eine Dame von nicht unschönem, aber strengem Gesichtsausdruck rauschte in das Gemach, ihrem Gemahl mit studierter Rührung um den Hals fallend.
»O Isis! wie ich erschrak, als die Kunde zu mir drang,« hauchte sie erschöpft, »dein kostbares Leben sei in Gefahr gewesen. Welch schreckliches Ereignis! Doch die Götter beschützen es; ich sehe dich gerettet.«
»Hat er gestanden, wer ihn zu dieser Tat veranlaßt?« frug mit finsteren argwöhnischen Blicken der Prinz.
»Das hat er,« erwiderte der König klugerweise.
Er hatte sich in seiner Voraussetzung nicht getäuscht. Sobald ihm dies auf einer Unwahrheit beruhende Wort entfahren war, sah er den Prinzen bebend nach Fassung ringen.
»Er hat – ja – unmöglich,« sagte er verwirrt.
»Warum unmöglich?« frug sein Vater.
»Und wer hat ihn zu dieser Tat verführt?« sagte der Sohn lauernd.
»Wer? Ich weiß nicht!«
»Wie?«
»Er hat noch nicht gestanden,« entgegnete Ramses, einen Blick mit Menes wechselnd, »aber ich hoffe,
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