Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
seinen reichvergoldeten Möbeln, so gewahrte er mit Bestürzung die Veränderung, die in Ramses' Zügen Platz gegriffen hatte. Die noch vor einer halben Stunde heitere Miene war in eine tiefernste verwandelt; wie gebrochen lag die stolze Gestalt auf einem Ruhelager – ein auffallender Gegensatz zu der erkünstelten Gleichmütigkeit, die sie, solange ihr Volk sie sah, angenommen.
»Hoher Herr,« begann Menes, von Mitleid ergriffen, »konnten die Ereignisse dieses Morgens Euern Mut so tief erschüttern –«
»Verzeihe mir diese Schwäche,« entgegnete Ramses, sich aufrichtend, »du hast recht, ich sollte meinen Empfindungen nicht in solchem Maße nachgeben.«
»Um deines Volkes willen solltest du es nicht, o Herr,« wagte Menes, trotzdem er sein vorschnelles Wort bereute, weiter fort zu fahren.
Der König nickte traurig mit dem Haupte und sah schweigend vor sich nieder.
»Denkt, ich bitte Euch, der Sache nicht weiter nach,« begann Menes aufs neue. »Irgendein Undankbarer, vielleicht ein Wahnsinniger hat diesen Plan gegen dein heiliges Leben geschmiedet. Heitere deine Stirne auf, zerstreue deinen Geist durch Jagd, Gesang oder Tanz. Wiegt die Liebe deines ganzen Volkes, von der du kaum erst die innigsten Beweise erhalten, nicht die Tat eines einzelnen auf?«
»Eines einzelnen! junger Mann,« sagte der König bekümmert, während Tränen sein hohes Auge füllten. »Glaubst du, dies sei der einzige, der wünscht, mir das Herz zu durchbohren? Du irrst! Du kennst nicht das Leben, das ich seit einigen Monaten führe – ich bin bedroht von allen Seiten, wie ein edles Wild, auf das hundert Jäger Jagd machen – denn, laß dir sagen – doch stille!«
Er unterbrach sich, winkte dem Sklaven, hinaus zu gehen und zog dann Menes auf sein Lager nieder, ihm vertraulich die Hand auf die Schulter legend.
»Ich weiß nicht, wie du dich nennst, noch wer du bist,« fuhr er sanfter fort, »und dennoch vertraue ich dir; ich möchte mir an dir einen Menschen erziehen, der mir die Last der Krone tragen hilft, und der mit dem Schild der Treue vor meinem Throne steht; deshalb verbanne ich jedes Mißtrauen aus meiner Seele. Du bist der einzige, dem ich Mitteilungen dieser Art mache; vor meinem Lebensretter wage ich es, mein Inneres zu öffnen, meinen düsteren Vermutungen Worte zu leihen.«
»Wenn ich, erhabener Gebieter, dein Vertrauen verdienen könnte,« entgegnen Menes mit Feuer, »o! wie würde ich mich glücklich schätzen. Immer habe ich mir gewünscht, einem Könige ratend zur Seite stehen zu dürfen, sein zweites, schärferes Auge sein zu dürfen, das in die Hütten der Armut dringt und durch die Tempelwände hinterlistiger Priester. In frühester Kindheit schon träumte ich mich in die einsame Stellung eines Herrschers; und mein kindliches Herz sagte mir: ein König ist nicht glücklich! Ja, ich dankte oft den Göttern, daß sie mich nicht auf einem Thron zur Welt kommen ließen.«
»Dir will ich alles gestehen, was mich bedrückt,« rief der König aus, die Hand seines Freundes ergreifend.
»Du verstehst mich; ich erkenne es an deinem Benehmen. Du sollst mir sein wie ein Vater, denn, wenn du mich auch nicht gezeugt, hast du mir doch das Leben zum zweiten Male gegeben, und nie kann ich dir dies vergelten; meine Gnade ist nur ein schwacher Versuch, die Schuld abzutragen, die du von mir zu fordern hast. Ja! du hast recht! Glücklich sind wir nicht! Deshalb habe ich mir immer einen Mann gewünscht, dem ich mich rückhaltlos hingeben könnte, ohne fürchten zu müssen, es trieben ihn nur selbstische Absichten in meine Nähe, denn die Diener eines Herrschers sind, trotz all ihren Schmeicheleien, seine größten Feinde! Wer ein Wort an uns zu richten hat, verlangt; keiner gibt – jeder verlangt! Es ist ein ödes Leben, dies Leben auf dem Thron; nur Toren können uns beneiden, nur Toren können sich mit der Krone auf dem Haupte glücklich fühlen. Einsam ist unsere Lage, einsam, wie die eines zerstörten Felsentempels – glühender Sand weht um seine umfalldrohenden Säulen, in seinem kühlen Inneren ragen die toten Steinbilder, weit um nichts als der blendende Sand oder nachts der schleichende Schakal; brütende Stille, glühendes Schweigen, hoheitgebietende Marmorwände!«
Ramses stand auf. Das Zucken seiner Lippen verriet die krampfhafte Anstrengung, die er machte, seinen Schmerz zu bewältigen. Das deutliche Empfinden seines Unglücks in dieser Stunde hatte ihn mitteilsamer gemacht; sein sonst verschlossenes Innere
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