Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Astronomie, in die sie sich neuerdings versenkt, erzählte ihm von ihrem Streit mit dem Oberpriester, der die Bahn der Gestirne falsch berechnete; auch berichtete sie von der heilenden Kraft mehrerer Kräuter, die sie in ihrem Laboratorium entdeckt. Dabei kam sie auch auf ein Kraut zu sprechen, welches sie nicht ohne inneres Grauen beschrieb. Es sei der größte Feind des Menschenlebens; in geringen Gaben genommen schläfere es ein, in größeren bewirke es den Tod. Urmaa-nofru-râ ließ sich dies Gewächs genau beschreiben und schien ausnehmend viel Interesse an seiner rätselhaften Kraft zu nehmen. Es seien schwarze Körner, verborgen in einer grünen Kapsel, erzählte Asa-Termutis, aber es sei am besten, man spräche nicht von dieser furchtbaren Blume, die irgendein böser Geist gesät habe, um die Menschen zu verderben. Dem König war das Interesse seiner Gattin an dieser tückischen Blume auffallend; er gab Menes einen Wink, den dieser verstand, denn er erblaßte vor Abscheu. Man unterhielt sich noch über diese Pflanze, als ein Sklave eintrat, meldend, der Verbrecher, welcher den Schuß auf die geheiligte Person des Sohnes der Sonne getan, verweigere jede Auskunft, durch wen er zu dieser Verruchtheit veranlaßt worden sei; stummes Kopfschütteln, trübes Lächeln sei seine ganze Antwort gewesen, solange man in ihn gedrungen. Während der Sklave diese Meldung machte, beobachtete Ramses seinen Sohn nebst seiner Gemahlin mit scharfen Blicken. Es entging ihm nicht, wie beide sich bemühten, gleichgültig dreinzuschauen.
»Töte ihn,« sagte der Prinz möglichst gelassen.
»Wenn er nichts gesteht,« warf die Königin hin, »warum ihn länger leben lassen. O! mein Gemahl, ich bitte dich, befreie deine Familie von der Angst, einen Ruchlosen, der nach deinem Leben trachtete, auf der Erde wandeln zu wissen. Du bist uns solche Vorsicht schuldig.«
»Ihr meint, ich solle ihn töten?« frug Ramses.
»Gewiß,« rief der Prinz.
»Sogleich,« rief Urmaa hastig.
»Bist du derselben Meinung, Asa-Termutis?« wandte sich der König an seine Tochter.
»Mein hoher Vater,« flüsterte diese, »er hat verdient zu sterben, tausendmal verdient zu sterben, aber dennoch bitte ich dich, denn mich ergreift ein Mitleid mit dem Schändlichen, da mir jedes Leben, das die Götter gaben, heilig ist; schicke ihn in die Goldbergwerke Äthiopiens; dort mag er büßen, sich bessern. Mir dünkt, kein Mensch hat das Recht, das Leben des anderen zu fordern; zu strafen jedoch hat er die Pflicht.«
»Deine Tochter spricht gut,« fiel ihr Menes ins Wort, »übe Großmut, erhabener Herr; sein Tod kann dir nichts nützen, sein Leben in den Bergwerken dir nicht schaden.«
»Unmöglich,« tobte die Königin auf, »er muß sterben. Ihr seid beide schwache Seelen. Laß den Oberpriester die Sterne oder den Apis in Memphis fragen, er wird verkünden, daß die Götter den Tod dieses Bösewichts wollen.«
Der König erhob sich, einen Zornblick auf sein Weib schleudernd; wohl mochte er ahnen, warum beide, sie und ihr Sohn, so eifrig des Schützen Tod forderten; sie wollten ihn verstummen machen für ewig. Ihm kam es darauf an, daß er rede. »Ruft ihn herein,« sagte er zu dem sich entfernenden Sklaven, »ich will den Mann selbst fragen, ob es sein Wille ist, sein Geheimnis mit in das Grab zu nehmen.«
Bis zum Eintritt des Mörders ging Ramses in dem Gemache auf und ab, indes Urmaa, sobald sie vernommen, der Verbrecher solle hier erscheinen, erblaßte und sich mit sichtlicher Verwirrung erhob.
»Komm, mein Sohn,« sagte sie mühsam, »verlassen wir dieses Zimmer, seien wir nicht Zeuge dieser peinlichen Szene; unsere feinfühlige Seele kann einen solchen Marterauftritt nicht mit ansehen.«
Cha-em-dyam stand zitternd auf.
»Es geht niemand aus diesem Gemach,« sagte Ramses, sich umdrehend, mit leiser Stimme.
»Wie, mein Gemahl? Wie sagtest du? –«
»Ihr sollt bleiben!«
»Wir sollen? Du erlaubst uns nicht? – Du zwingst uns?«
»Zwingen? Ich bitte euch!«
»Wenn du uns nur bittest,« entgegnete Urmaa, gezwungen lächelnd, »so bitte ich dich ebenfalls, mir zu gestatten, daß ich gehen darf.«
Keine Antwort!!
»Hörst du, mein Gemahl?«
»Ich höre!«
»Und du gewährst meine Bitte nicht?«
»Ich habe Gründe, sie nicht zu gewähren!«
»Und diese sind?«
»Einerlei!«
»Ich begehre sie zu wissen!«
»Zürnst du mir?« frug Ramses, da er zu bemerken glaubte, daß sich trotziger Vorwurf in die Stimme seines Weibes mischte.
»Ihr beide
Weitere Kostenlose Bücher