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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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wohl kein guter Sohn mit ansehen, ohne sich zu vergessen. Ich werde eine Klage wegen Ehebruchs einreichen.«
    Der Sohn bereute der Mutter alles gestanden zu haben; so weit, bis zu einem Prozeß sollte es nicht kommen! Aber es war zu spät.
    »Ich bitte dich, Mama,« flehte er, »unterlaß das! Er ist genug bestraft . . . dadurch, daß er nun den Haß des eigenen Sohns erkannt hat.«
    »Nun gut,« beruhigte sie ihn. »Ich werde abwarten. Ich werde beobachten, ob er nach seiner Genesung noch weiterhin mit diesem Frauenzimmer verkehrt. Für sein bisheriges Treiben ist er freilich hart gestraft. Neue Schuld wird neue Sühne heischen.«
    »Wird er nicht Strafantrag gegen mich stellen?« fragte der Sohn.
    »Wie kann er das?« versetzte die Mutter. »Du müßtest dann den Mund auftun . . . Und dann hätte auch ich kein Erbarmen.«
    »Ja, du hast recht!« unterbrach er sie; »das wird er sich selbst sagen. Und . . . willst du ihn nicht besuchen?«
    Katharina kämpfte mit sich selbst. Sie zog sich an, um zu ihm zu gehen, setzte sich auf einen Stuhl und überlegte, ob sie nicht doch bleiben sollte. Dann zog sie sich wieder aus.
    »Nein!« sagte sie. »Wenn er am Sterben läge oder gar keine Hilfe hätte . . . So aber ist ja sie bei ihm, – ich gehe nicht. Er kann mich ja rufen lassen, wenn er mich braucht . . . wenn er Sehnsucht nach mir hat,« setzte sie mit schmerzlich-ironischem Lächeln hinzu.
    Karl mußte ihr beistimmen. Schließlich suchte die Mutter wieder in ihrem altbewährten Heilmittel, in Tränen, Erleichterung. Karl wußte nicht: galten die Tränen dem Vater? oder beweinte sie ihr eigenes Schicksal?
    Er verließ sie, um wieder die Wohnung des Vaters aufzusuchen. Eine peinliche Unruhe trieb ihn beständig hin und her. Er mußte immer irgend etwas tun und wußte doch nicht was. Jede Beschäftigung ward ihm gleich zum Eckel. Auch die Nahrung eckelte ihn an, er konnte keinen Bissen hinunter bringen. Dabei fror er unaufhörlich. Die Glieder zitterten ihm vor innerem Frost, die Zähne schlugen ihm aufeinander, er befand sich im Zustand eines heftig Fiebernden. Eduard war erstaunt darüber, daß sein Bruder gar nicht einmal darnach verlangte den Vater zu sehen. Er forderte ihn dazu auf, aber Karl betrat das Zimmer des Kranken nicht.
    Als Emma ihm mitteilte, daß sein Vater eine sonderbare Äußerung getan, merkte der junge Mann, daß seine Neigung zu dem Mädchen mit einem Schlag verflogen war, ja einem tiefen Widerwillen Platz gemacht hatte.
    »Er will Sie nicht sehen!« sagte sie bekümmert.
    »So?« gab er gequält zurück. »Was hat er denn gegen mich?«
    »Ich weiß nicht!« Sie wendete ihm betreten den Rücken zu . . . sie ahnte, was er von ihr dachte – oder wußte, und fühlte sich auch sehr schuldig.
    Karl war wirklich versucht, ihr empört zuzurufen: »Du bist ja schuld an dem ganzen Vorfall!« Doch zog er vor zu schweigen.
    Wie gern wäre er in das Schlafzimmer gegangen und hätte sich dem Mißhandelten zu Füßen geworfen, ihn um Verzeihung angefleht! Emmas Mahnung hielt ihn zurück. Vorsichtig prüfend erkundigte er sich nach dem Ereignis, auf welche Art eigentlich der Vater gestürzt sei? Er merkte bald an den Antworten, die er erhielt, daß sein Vater bis jetzt verschwiegen hatte, wer freventlich Hand an ihn gelegt. Ob er auch fürderhin schwieg? Jedenfalls konnte er dem Mißhandelten nie mehr ins Gesicht sehen, er konnte nicht mehr unter einem Dach mit ihm wohnen. Er hatte Furchtbares verübt. Auch wenn der Vater bald wieder hergestellt war, – er fühlte, daß kein rechtlich denkender Mensch ihm jemals verzeihen könne. Für eine solche Tat gab es kein Verzeihen und niemals konnte er sie wieder gut machen.
    So tief vorher sein Haß in ihm gewühlt, so intensiv fraß sich nun das Schuld- und Reuegefühl in sein Herz ein. Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen –: er hatte bisher in einem entsetzlichen Wahn gelebt; der Vater meinte es doch gut mit ihm! Seine Eifersucht war ja kindische Einbildung, seine Liebe zu Emma blöde Jugendeselei . . . Und wegen solch kindisch-phantastischer Wahngebilde hatte er sich hinreißen lassen, das was jedem normalen Menschen das Heiligste ist, die Vaterliebe, mit Haß zu vergelten!
    Er konnte jetzt sein Tun gar nicht mehr begreifen! Er konnte nicht einmal mehr daran denken, ohne einen solchen Schauder ja Eckel vor sich selbst zu empfinden, daß ein heftiger Selbstvernichtungstrieb in ihm erwachte. Wie von einem dunkeln Erlösungsdrang beseelt, ging

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