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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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»es ist so! er ist wohl ausgeglitten! er hat ja den ganzen Ofen mitgerissen!«
    »Entsetzlich!« stöhnte der Andere.
    »Geh auf die Bodenkammer!« rief Eduard. »Ruf das Dienstmädchen . . . Oder nein . . . erst wollen wir ihn ins Bett tragen oder warte . . . ruf lieber doch das Mädchen.«
    Karl schoß zur Tür hinaus und weckte das neben den Speicherräumen schlafende Mädchen. Dann zog er sich hastig an, um den Dr. Müller herauszuschellen.
    Indessen hatte Eduard mit Hilfe des Dienstmädchens den Vater zu Bett gebracht. Sie hatten ihm kalte Umschläge gemacht.
    Mitten in ihrer Arbeit störten sie Schritte; Emma war durch das Laufen und das beständige Brausen der Wasserleitung aufgeschreckt worden.
    »Wie? Sie hier?« rief der erstaunte Komponist, Schriftsteller und Sänger, als er Fräulein Dorn wie eine weiße Geistererscheinung aus dem Salon in der Küche auftauchen sah.
    >Was ist denn passirt?« fragte sie, die Anrede des Verwunderten ganz überhörend.
    »Kommen Sie nur,« sagte er ernst, der gerade den Wasserhahn zu drehte und das nasse Tuch auswand; »gut daß Sie da sind, wir können jetzt weibliche Hilfe brauchen.
    »Aber was ist denn?« stieß sie entsetzt heraus.
    Er sah ihr mit einer tragischen Miene in das erbleichende Gesicht: »Papa ist gestürzt.«
    Sie griff wankend nach dem Türpfosten. »Gestürzt?« entfuhrs ihr. »Wie dann? wo dann?«
    Eduard eilte mit dem tröpfelnden Tuch ins Schlafzimmer; sie folgte bebend.
    Ein halbunterdrückter Schrei entrang sich ihren Lippen, als sie das geliebte Haupt totenbleich auf dem Kissen erblickte. Die Nachtlampe goß ihren trübroten Schimmer über diese starren Züge, während schon das erste Frührot durch die Ritzen der Fensterläden schielte. Eine dunkle Ahnung, daß sie dies Unheil mitverschuldet, umkrampfte ihr Herz. Ganz aufgelöst im Schmerz näherte sie sich dem Bett. Er schlug langsam die Lider auf; aus diesem Blick glomm ein tiefer Seelenschmerz.
    Sie beugte sich, ihre ganze Fassung zusammenraffend, über das bleiche Gesicht des Direktors. Er war völlig zu sich gekommen, fühlte sich aber noch sehr matt. Die hellen Tränen rannen ihm über die Wangen, als er Emmas Gesicht so nahe über dem seinen erblickte. Ihre geisterhaft weit aufgerissenen Augen suchten liebevoll fragend nach Trost, nach Hoffnung in seinen müden traurigen Blicken.
    »Aber was ist dir denn zugestoßen?« fragte sie, ihm zärtlich über die Wangen streichend.
    »Nichts«, flüsterte er; »ein kleiner Unfall.«
    Im Anfang, als wieder die Welt vor seinen Blicken aufzudämmern und er sein eigenes Ich wieder zu ahnen begann, hatte er den ganzen Vorfall völlig vergessen.
    Erst allmählich erinnerte er sich an den Wortwechsel mit Karl – und empfand nun ein tiefes Grauen vor dem eigenen Kind, gemischt mit Reue. Er hatte ihn doch vielleicht nicht richtig behandelt, sagte er sich.
    »Du bist ausgeglitten?« fragte sie ängstlich.
    »Ja«, lispelte er. »Man sorge dafür, daß Karl nicht in meine Nähe kommt. Man will ihn nie mehr sehen! nie mehr!«
    Sie blickte ihm mit erschrockenem Gesichtsausdruck ins Auge. »Karl – wie so?« stammelte sie.
    »Genug,« fuhr er fort. »Ich kann nicht viel reden, mir wird übel.« Er mußte sich erbrechen, dann verfiel er einen traumhaften Betäubungszustand.
    Als der Arzt kam, ließ er sofort aus der nächsten Brauerei Eis holen, das dem Kranken auf den Kopf gelegt ward. Dann hieß er alle Personen aus dem Zimmer gehen, setzte sich neben das Bett, drückte den Elfenbeinknopf seines Stockes gegen die Lippen und beobachtete angestrengt den Schlummernden. Darauf erhob er sich, ging ins andere Zimmer und verschrieb Brom-Ammonium. Emma fragte ihn, was er von dem Fall denke.
    Gefahr sei wohl nicht vorhanden, meinte der Arzt, doch einige Tage werde er liegen müssen.
    Mittlerweile war es Tag geworden und Karl eilte in die Wohnung seiner Mutter, um sie wahrheitstreu zu benachrichtigen.
    Die Mutter, die schon in aller Frühe an ihren Götheforschungen saß, nahm den Bericht mit tiefem Ernst hin.
    »Also das Frauenzimmer war bei ihm?« forschte sie mit rollenden Augen.
    Karl erzählte dann kleinlaut, daß er sich nicht länger habe halten können, die Entrüstung habe ihn zu weit getrieben! Die Mutter war allerdings bestürzt, aber sie faßte die Tat als Ritterdienst des Sohnes auf.
    »Sogar vor Gericht«, meinte sie, »würde es dir zur Entschuldigung dienen, daß du für die Zurücksetzung, die Entehrung der Mutter Rache genommen hast. Das kann

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