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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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verbrannten Haaren. Ein Schüttelfrost überfiel den Jüngling. Er starrte den Körper an, der mit dem Kopf auf der Ofenkante, im Zimmer lag. Der rotgesäumte Schlafrock war unter ihm ausgebreitet. Karl ergriff die Lampe und taumelte auf den regungslosen Körper zu. Ja! er erkannte das bartumrahmte Gesicht . . . es war jetzt sehr bleich . . . die Augen waren geschlossen, der Mund, dem ein leises Stöhnen entquoll, geöffnet. Hatte er das getan? Nein! Das hatte eine fremde Person in ihm verrichtet . . . . er war manchmal ein Anderer . . . .
    Horch! jetzt schrillte wieder das häßliche Katzengeschrei von der Straße herüber. Nun blickte er sich um. Der Direktor hatte die Türen des Salons und Eßzimmers geschlossen . . . es schien Niemand von dem Fall gehört zu haben. Was sollte er tun? Leute wecken? Das konnte Verdacht erregen. Sich wieder ins Bett legen und den Verwundeten seinem Schicksal überlassen? Das brachte er nicht übers Herz. Nun ward ihm allmählich auch immer klarer, daß er das getan hatte, kein Anderer! und mit diesem Bewußtsein wichen alle früheren Wahnvorstellungen aus seiner Seele, – die schauderhafte elende, nackte Wirklichkeit grinste ihm ins Auge. Er eilte an die Zimmertür seines Bruders.
    »Eduard mach auf!« Er hörte nicht; Karl klopfte; das Bett krachte.
    »Ja, was ist denn?« gab endlich eine schläfrige Stimme zurück.
    »Steh auf . . . ich glaub, es ist ein Unglück passirt.«
    »Ach wo! Unsinn.«
    »Kein Unsinn! Steh auf! ich hab einen dumpfen Fall gehört.«
    »Ach, – du träumst.«
    »Nein, komm doch! hilf mir doch!«
    Endlich öffnete Eduard die Tür und lallte schlaftrunken: »Laß mich doch in Ruh! Es werden Mäus gewesen sein.«
    »Unsinn! Mäus!« rief Karl. »Ich glaub, den Vater hat n Schlaganfall getroffen; komm mit mir ins Studirzimmer.«
    »Schlaganfall?« lallte Eduard, schlüpfte aber doch in die Hosen, wobei er in seiner Schlaftrunkenheit fast das Nachttischchen umstieß und folgte dem Bruder.
    »Du bist ein Phantast!« ächzte er mit weinerlicher Stimme. »Einen im besten Schlaf zu stören! Siehst Gespenster.«
    Die lange gelbe Löwenmähne hing ihm phantastisch ins blödblickende Gesicht, als er dem Bruder voraneilte. Trotz seiner ungeheuren Erregung überkam Karl ein krankhafter Reiz zum Lachen, als er die hagere Gestalt Eduards vor sich her taumeln sah.
    »Nu was hast du denn?« fragte der Musiker, sich entrüstet umwendend.
    »Deine Haare,« lachte Karl, »die Hosenträger . . . deine Augen . . .«
    Er krümmte sich vor Lachen, aber das Lachen tat ihm weh, seelisch und körperlich; es war eigentlich mehr ein unnatürliches Weinen, der höchste Ausdruck eines übermenschlichen Schmerzausbruchs. Dies ahnte Eduard nicht, fühlte sich beleidigt und packte den krampfhaft Lachenden zornig an den Schultern. »Willst du eine Maulschelle?« fragte der entrüstete ›Gott‹.
    »Ja, ja, gib mir eine!« lachte Karl, »damit ich zu mir komme.« Dann setzte er auf einmal, seinen Freund Konrad nachäffend hinzu: »Diverse Schnäpse!«
    »Mensch! bist du verrückt?« schrie Eduard, eilte schwankend weiter, stieß die Tür zum Studirzimmer auf und rief: »Mensch, wenn du mich umsonst geweckt hast, gibts Prügel.«
    Karl stand am ganzen Leib bebend hinter ihm und fragte: »Was siehst du?« Dann kam wieder der lächerliche Drang über ihn, die Phrase: »Diverse Schnäpse!« vor sich hin zu flüstern.
    »Was ich seh? was ich seh?« keuchte Eduard schläfrig. »Nichts seh ich. Du hast wieder mal phantasiert. Unsinn! – nichts regt sich. – So schweig doch! was hast du nur immer mit deinen »Diversen Schnäpsen«! Ich hätt wirklich gute Lust, dir eine runterzuhauen. Einn aus dem besten Schlaf zu wecken . . . wo ich heut soviel komponirt hab, daß mir der Schädel brummt.«
    »Eh du mir eine runterhaust,« murmelte Karl»sieh da hin!«
    »Da?! was ist da?«
    »Am Ofen!«
    »Halt n Ofen!«
    »Diverse Schnäpse!«
    »Jetzt sei mal endlich still . . . Donnerwetter!«
    Der letzte Ausruf galt seiner Verwunderung darüber, daß der matte Strahl der Lampe ganz am hintersten Ende des Zimmers eine ihm rätselhafte Masse am Boden erleuchtet hatte. Er trat näher und blieb dann entsetzt stehen.
    »Wa . . . was ist . . .« stammelte er. »Der Papa . . .?«
    »Wer?« fragte Karl, der nur dadurch seine Sinne mühsam zusammenhalten konnte, daß er sich beständig an seines Freundes ulkige Gewohnheitsphrase klammerte.
    »Um Gotteswillen!« schrie jetzt Eduard auf,

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