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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Direktor drückte ihm zwar mit vielsagendem verständnisinnigem Lächeln die Hand, als billige er seine Tat; im Stillen aber dachte er: »vor dem Menschen muß man sich in Acht nehmen! ich werds ihm geben in meinem Bericht an die Oberschulbehörde!« Denn das Schicksal der Dichterin ging ihm sehr nahe. Er malte sich ihren verzweifelten Gemütszustand aus und merkte, daß gerade das Unglück, das nun über dies herrliche Weib hereingebrochen war, sie seinem Herzen noch näher brachte. Er begann den Verursacher dieses Schicksalsschlags, den Dr. Simmer, zu hassen.
    Körns Schüler ahnten in der nächsten Stunde nicht, warum er diesmal so zerstreut unterrichtete, warum er manchmal mitten im Vortrag abbrach, vor sich hinstierte und dann mit seinem langgezogenen äh – – äh – den Faden seiner Auseinandersetzungen wieder anknüpfte. Nur Karl hatte eine dunkle Ahnung vom Gemütszustand seines Erzeugers. Er fühlte instinktiv, daß es Teilnahme an dem Schicksal Emmas war, was den sonst so kräftigen Blick des von Gesundheit strotzenden Mannes oft verdunkelte. Mit dem Scharfsinn der Eifersucht hatte er entdeckt, daß im Herzen des Vaters für Emma ein Gefühl erwacht war, das über das gewöhnliche Wohlwollen hinausging. Er erkannte es auch daran, daß der sonst in der Familie ziemlich schweigsame Mann, häufig von Emma zu reden begann.
    So wieder heute beim Mittagessen. Ganz unvermittelt brachte der Direktor das Gespräch auf die ›Finstern Dämonen‹, die er nun zu Ende gelesen. Karl suchte absichtlich Einiges an dem Buch zu tadeln. Der Vater widersprach heftig. Er geriet beinahe in eine nervöse Erregung, die er aber geschickt zu unterdrücken verstand. Gerade diese künstliche Unterdrückung seiner Aufregung wurde dem Sohn verdächtig; gerade durch die erzwungene äußere Ruhe verriet der Direktor seine innere Unruhe.
    Karl lenkte dann, um weitere Nachforschungen anzustellen, das Gespräch auf die Ehe. Er meinte: die Ehe sei nur Übergangsstadium; der Mensch einer weiter vorgeschrittenen Zeit werde die Einzelhaft der Ehe mit einer allgemeinen Liebesfreiheit vertauschen.
    Hier widersprach ihm seltsamerweise der sonst so konservativ urteilende Vater nicht. Sogar als sich Karl zu der Behauptung verstieg: »Geistig bedeutende Naturen werden sich nie fürs ganze Leben mit einem einzigen Gegenstand ihrer Liebe begnügen,« tadelte der sonst so Strenge diese Äußerung nicht. Karl führte dann seine Gedanken noch weiter aus: »Je reicher der Geist oder das Gemüt eines Menschen ist, desto mehr muß ihn die Enträtselung anderer Geister oder Gemüter reizen. Nur der Philister, der geistig Arme, fühlt diesen phantasieanlockenden Enträtselungsdrang nicht . Ihn reizen keine unentdeckten Länder der Leidenschaft. Was kümmert den ängstlichen Kleingeist der Nordpol der Liebe, den nur der kühne Abenteurer der Sinne im Luftschiff der Poesie zu erreichen hofft?«
    Diesmal machte der Direktor, leicht errötend, doch Einwendungen. Er murmelte etwas von sittlichem Kompaß, den jeder brave Bürger in sich tragen müsse. Überhaupt habe Karl in solchen Fragen keine Erfahrung, hier könne nur das Alter mitsprechen. Doch gab er dieses Urteil nicht mehr mit der früheren Entschiedenheit und Sicherheit ab; man merkte ihm an, daß er einen inneren Kampf zu verbergen hatte.
    »Das Alter! immer sitzt das Alter am Ruder und schreibt der Jugend Gesetze vor!« wendete Karl ein. »Laßt einmal die Jugend regieren! sie gibt euch statt Erfahrung – neue Ideen!«
    »Nun,« bemerkte der Direktor lächelnd, »ich habe nichts gegen die Jugend.«
    Katharina erkannte ihren Mann gar nicht mehr wieder. Er redete ihr nichts mehr drein, wenn sie ihren Götheforschungen oblag und ließ sich sogar versalzene Suppen und völlig misratene Speisen widerspruchlos gefallen.
    Karl ging nach dem Essen auf ein halbes Stündchen ins Freie mit seinem Freund Konrad, dem er heute sein Herz ausschüttete.
    »Siehst du,« sagte der junge Körn, »ich bin doch mehr eine analytisch-grüblerische Eule, als ein rein poetischer Schmetterling. Ich merke das daraus, daß ich mir so deutlich, fast kühl, möcht ich sagen, bewußt bin: du liebst zum erstenmal! Das kann ein reiner Poet nicht; der zerlegt seine Gefühle nicht, der liebt reflexionslos. Ich werde den angebornen Präzeptor nicht los! Es wird mir mal gehen wie dem Nietzsche, von dem ich sage: Als Dichter philosophiert er zu viel, als Philosoph dichtet er zu viel!«
    Auf eine Bemerkung Konrads erwiderte er:

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