Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
hin. Gleich darauf eilte Luise schreckensbleich ins Zimmer, hinter ihr drein schimmerten Uniformknöpfe. Der Kater nahm sofort ängstlich Reißaus, vors halboffene Fenster hinaus.
»Emma . . . um Gotteswillen!« stotterte die zitternde Luise, »sieh doch her!«
»Was ist denn los?«
»Eine Haussuchung!«
»Bei mir? Weshalb?« Sie bekämpfte mühsam ihren Schreck und erhob sich. Ein Wachtmeister mit zwei Schutzleuten trat ihr grüßend entgegen.
»Sie wünschen?«
»Fräulein Emma Dorn,« klärte sie der dicke, schnaufende Wachtmeister auf, »mir ham den Auftrag Ihren Schreibpult zu durchsuchen. Hier is die Vollmacht.« Er überreichte ihr ein Schriftstück.
»Den Pult zu durchsuchen?« versetzte sie erregt. »Zu welchem Zweck?«
»Mir missen s Manuskript von ihrem Roman ›Finstere Dämonen‹ suchen.«
»Ach – so?«
»Ja un de Brief von Verleger un n Vertragg.«
»Ja weshalb denn?«
»Ihr Romann is vom Staatsanwalt beschlagnammt worrn.«
Die arme Luise mußte sich, einer Ohnmacht nahe, setzen.
»Tun Sie Ihre Pflicht!« sagte Emma, nachdem sie das amtliche Schriftstück überflogen. »Der Gewalt muß ich weichen.«
Gerade als die Schutzleute über die Schubladen des Pults herfielen, trat Karl, die Schulmappe unterm Arm, ins Zimmer. Die sanfte Luise teilte dem Erstaunten weinend mit, um was es sich handelte. Emma bezwang herrisch ihre trübe Stimmung.
»Laß die Leute nur suchen; das ist ihre Pflicht,« sagte sie ernst. »Ich mache mir gar nichts aus der Sache. Sogar ein Prozeß wäre mir gerade recht; ist ja die beste Reklame.«
Karl trat mit verstörtem Gesichtsausdruck näher. »Da steckt natürlich der Dr. Simmer dahinter!« sagte er mit vor Zorn funkelnden Augen. »Vielleicht ist auch mein Papa mit schuldig.«
»Nein,« wies ihn Emma zurecht. »Ihr Papa hat mein Werk gelobt und in Schutz genommen. Dem frommen Dr. Simmer trau ich das aber zu.«
Nun hörte man die Stimme des Schubladen durchwühlenden Wachtmeisters: »Nur was zu unserm Auftragg gheert wird mitgenommen, versteht r? alles sonst geht uns nix an, verstehtr?«
»Ich glaub auch,« sagte Karl leise, »daß mein Vater Sie nicht denunziert hat. Es ist wahr, er schwärmt geradezu für Ihr Buch. Gestern las er uns daraus vor und sprach den ganzen Abend davon; ich habe ihn noch nie so begeistert gesehen. Was er früher wohl getadelt hätte, gewisse Derbheiten, – lobte er; er sah Schönheiten, wo er sonst Fehler gesehen, so daß ich annehmen muß: sein Urteil ist durch Ihre Liebenswürdigkeit bestochen; Ihre Schönheit hält den schützenden Schild vor Ihren Geist.« Er lächelte bei diesen Worten ein wenig sarkastisch; ein leiser Klang von Eifersucht zitterte durch seine Stimme.
»Meinen Sie?« sagte Emma. »Nun, wenn ich ihm gefalle, – desto besser.«
»Desto besser?« fragte er erstaunt.
Ihm waren diese Worte aus Zerstreutheit entfahren.
»Nun ja,« warf sie hin. »Warum soll ich ihm nicht gefallen? Das schadet mir doch nicht und Ihnen auch nicht?«
Karl sah ihr prüfend ins Auge. Ihr fiel sein düsterer verzehrender Blick unangenehm auf; sie spürte seine Eifersucht und nahm sich vor, ihm so bald als möglich klaren Wein einzuschenken, denn bei seinem phantastischen Naturell konnte aus diesem Gefühls-Ei ein Ungeheuer schlüpfen.
Neben dem Pult auf einem Stuhl saß Peter; er hatte sich wieder herein gewagt und verfolgte aufmerksam mit sittenstrenger Miene die Bewegungen des amtierenden Wachtmeisters, der sorgfältig Blatt auf Blatt, Heft auf Heft häufte. Emma machte sich nun das Vergnügen, dem Wachtmeister, gleichsam um ihm seine Aufgabe zu erleichtern, ganz unwichtige Papiere – Rechnungen, Waschzettel, Einladungskarten – vorzuhalten und ihn jedesmal mit ernsthafter Miene zu fragen: »Hat dies Dokument vielleicht Wert für Sie?« Der dicke, schweißtriefende Mann des Gesetzes, dem seine Aufgabe ohnedies keine Freude bereitete, überflog dann jedesmal das vorgehaltene Blatt und stammelte zerstreut: »Nein . . .« Dies grausame Spiel setzte sie zur Freude Karls so lange fort, bis der Wachtmeister endlich den Vertrag, die Briefe und das Manuskript entdeckt und triumphirend an sich genommen hatte. Er wischte sich den Schweiß von der niederen Stirn, ließ sie ein Protokoll unterschreiben und entfernte sich dann höflich grüßend mit seinen Begleitern. Auch für Karl war es höchste Zeit; er mußte gehen.
Kaum waren die beiden Fräulein allein, so schluchzte Luise: »Das hast du nun von deiner Schriftstellerei!
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