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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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»Einerlei ob meine Leidenschaft zum Ziele gelangt, oder ob sie wie ein Wüstenglutsturm an der Felsenküste der Resignation erstirbt, – sie ist da, sie ist sich selbst Zweck. Ich liebe die Liebe! ich liebe was Leiden schafft, ich liebe die Selbstzerfleischung der Sinnenglut, – aber ich hasse die Friedhofsruhe der Weisheit. Die Weisheit ziert nur die Götter; uns Menschen macht nur die Torheit liebenswürdig . . . Ich liebe in Emma nicht dies eine Weib, sondern das Weib! Ich liebe in ihr die Schönheit, die Schaffenskraft der Natur und ich möchte, wie es die Alten getan hätten, ihr Tempel bauen oder mit ihr mich in den glühenden Erzmoloch stürzen. Ganz wörtlich!«
    »Der glühende Erzmoloch ist heutzutage die Ehe«, bemerkte Konrad trocken.
    »Die Ehe?« rief Karl. »Nenn doch dies entsetzliche Wort nicht! Die Ehe ist freilich das Grab der Liebe. Weh dem der zuerst die Ehe erfunden hat! mög er von ewigen Eheketten gefesselt am Felsen der Philisterhaftigkeit hängen, und der Geier der Langweile soll ihm die Leber fressen! – Vielleicht bin ich noch zu jung, um in Emma ein besonderes Einzelwesen lieben zu können? Mir ist sie noch der Inbegriff aller Schönheit, der Extrakt der Weiblichkeit. Deshalb ist meine Leidenschaft auch so weltumspannend! Wie eine revolutionstrunkene Riesenmelodie möchte sie die ganze Menschheit zur Freiheit, zur Aufklärung fortreißen. Blut und Feuer ist in dieser Liebe! Ich bin ein Anarchist der Liebe!«
    Dann ward er wieder sentimental. »Siehst du, der finstere Wald, der die Wiese so in sich versunken umarmt, erweckt mir traurige Gedanken. Ich sage mir: einst kommt ein Tag, da wird das Weltgetriebe weiter hasten, wie jetzt; doch ohne dich! Der Sturm wird rauschen, – durch die Straßen rollen die Wagen . . . . doch du hörst es nicht; die Menschen eilen ihren Geschäften nach . . . du siehst es nicht; in den Theatern klatscht man pikanten Witzen Beifall . . . dich kann kein Scherz mehr reizen, denn dein Gesicht hält der nie lachende Tod in Bann. Jetzt dünkst du dir so wichtig; hat dein Herz aufgehört zu schlagen, – bist du unwichtiger als ein lebendiger Sperling. Du hast dein Hirn, in dem sich Sonnen und Milchstraßen spiegelten, für den Mittelpunkt der Welt gehalten; ist einst sein Spiegel zertrümmert, – wird ein Wurm aus deinem Schädel seine Wohnung machen, er ist weniger wert, als die Laterne im Fahrrad eines Gecken.«

    13.
    Etwa eine halbe Stunde vor der Stadt hatte sich der reiche Weihals eine schloßartige Villa bauen lassen. Ein prächtiger vom kühlen Herbst jetzt goldrot angekränkelter Park umwogte die Zinnen, die graublauen Schieferdächer, die Erker, Türme und Türmchen des Herrensitzes, wie ein alter, kostbar gestickter Purpurkönigsmantel.
    Er langweilte sich, der Herr Kommerzienrat. Umsonst trieb er allerlei Sport, umsonst ging er ins Theater, in Konzerte, umsonst schaffte er sich ein Automobil an, – es nützte alles nichts. Der äußere Reichtum konnte ihm die innere Armut nicht unfühlbar machen. Im Gegenteil, sie war wie ein Bettlergewand, das unter einem lose hängenden Prunktalar verborgen steckt und bald an den Knieen, bald an den Ellbogen nur um so auffälliger herausplatzt. Seine magere Seele war sich oft selbst zur Last in ihrer fetten Hülle.
    Er durfte nach Vorschrift des Arztes nur sehr frugal frühstücken, da sonst die Gicht im Anzug war. Wenn er dann morgens, ärgerlich darüber, daß sein schwacher Magen ihm nur eine dünne Wassersuppe erlaubte, mit einem müdverdrossenen Zug um die herabhängenden Mundwinkel und die bleichen, schwabbeligen Hängewangen, von seinen Hunden begleitet, in seinen Wirtschaftsräumen umherschlenderte, fand er im Ausschimpfen der Dienstboten einigen Trost. Zu tadeln gab es immer, denn in manchen Dingen war er sehr genau; überall in Küche, Stall und Keller, war zu viel verbraucht worden. Hinter seinem Rücken machten sich dann die Dienstboten über ihn lustig. Angst hatte man nicht, denn bei all seinem tadelsüchtigen Wesen besaß er doch wieder einen gewissen gutmütigen Zug. Sobald ein Ausgescholtener sich aufs Bitten verlegte, verzieh er ihm; und wenn er gar Tränen sah, schenkte er sogar Geld her. Diese Schwäche nutzten die raffinirten weiblichen und männlichen Diener weidlich aus. Er suchte seinem Despotismus mit einer gewissen absichtlichen Koketterie diese patriarchalische Rührseligkeit umzuwerfen, weil er gemerkt hatte, daß das Volk den am meisten verehrt, der im Zorn zuerst

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