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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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handelt. Ich werfe gewiß keinen Stein auf Ihren Vater. Jedenfalls bedauere ich Sie im höchsten Grad.«
    Er hatte die Empfindung, daß er die richtigen Worte nicht gefunden habe. Alles was er vorbrachte kam ihm so kalt vor. Er konnte seine innere Ergriffenheit nur durch Blicke kund geben, durch ein inneres Vibrieren der Stimme, das von verhaltenen Tränen erzählte.
    Sie weinte leise vor sich hin. Endlich sagte sie: »Meine Eltern, davon bin ich überzeugt, werden gewiß alles tun, um diesen Verlust zu ersetzen . . . mehr kann ich jetzt nicht sagen. Ich verteidige nicht, ich klage nicht an. – Kommen Sie! wir wollen gehen, es ist mir wieder besser . . .«
    Sie hatte kaum am Glas genippt. Die Kellnerin zog neugierig die Brauen in die Höhe, als Karl zahlte. Am Pianino saß ein langhaariger Kerl und schmetterte wild in die Tasten. Natalie erhob sich.
    »Trinken Sie doch noch,« bat Karl. »Sie kommen dann rascher zu Kraft, das Gehen wird Ihnen sauer.«
    »O garnicht,« erwiderte sie und nahm noch einen Schluck von dem Rotwein.
    Nun polterten lachend neue Gäste, zwei Stutzer, in das Zimmer. Das Mädchen überlief ein Schauer, als die frech-heiteren Töne ihr Ohr trafen. Sie setzte das Glas hastig wieder von den Lippen.
    »Kommen Sie, kommen Sie,« bat sie dringend den Jüngling, der sie finster betrachtete.
    Beide verließen das Lokal.
    »Wenn ich Ihnen irgendwie nützlich sein könnte?« sagte Karl, als er sich von ihr trennen mußte, »aber . . . ich wüßte nicht, wie?«
    »Nein, nein . . . danke.«
    »Ich habe höchstens Worte des Trostes zur Verfügung, die in solchen Fällen aber nicht viel bedeuten. Verlieren Sie den Mut nicht! es geht alles vorüber. Wenn wir uns nur selbst haben, kann uns die Welt nichts rauben.«
    Sie sah wie betäubt ins Weite. Er reichte ihr traurig die Hand.
    »Was wird nun aus unserer neuen Religion werden?« lächelte er trüb.
    »Wir sind ihr vielleicht näher als wir ahnen,« sagte sie resigniert.
    Er sah sie verwundert an, mochte jedoch nicht fragen. Dann verließ er sie.
    Was wollte sie mit ihren letzten Worten sagen? Lange zerbrach er sich den Kopf. Da fiel ihm ein, daß Weihals sich neulich so viel Mühe um sie gegeben; spielte sie vielleicht hierauf an?

    11.
    Emma Dorn saß am Pult und schlürfte behaglich ihren Morgenkaffee, der ihr unentbehrlich war, um ihr Gehirn vom Druck des Schlafs zu befreien. Ohne Kaffee konnte sie kaum ein paar Zeilen ausarbeiten, so sehr hatte sie ihre Nerven an das erregende Gift gewöhnt. Sie aß zum Kaffee nur einen einzigen Friedrichsdorfer Zwieback, um ja den Magen nicht zu überlasten, was die feine Gehirntätigkeit beeinträchtigt hätte. Neben ihrer Tasse saß Peter und langte zuweilen mit der Pfote nach dem Zwieback. Peter wollte fein und respektvoll behandelt werden. Als sie ihn streichelte, merkte sie, daß das ehrgeizige Tier ordentlich stolz wurde auf ihre Liebkosung. Dann verließ er den Pult und legte sich so breit-bequem auf ihren Schoß, daß die zarte Rücksicht auf den Verwöhnten sie einige Unbequemlichkeit beim Schreiben kostete.
    Draußen auf dem Vorplatz erschallte ein lebhafteres Wortgefecht. Die beiden Freundinnen lagen nämlich stets mit dem alten einsamen Fräulein Stricker im Kampf, das in der Mansarde über ihnen hauste. Diese ältliche pensionierte Elementarlehrerin war mit allerlei lästigen Angewohnheiten behaftet; so litt sie an der Manie die Hausflurfenster aufzureißen, weil es nach der Küche rieche; auch hatte sie die Eigenheit, ihre Zimmerchen gerade zu der Zeit einer gründlichen Reinigung mit Schrupper und Besen zu unterziehen, wenn andere Menschen sich zu Bette legen und schlafen wollen. Emma lauschte dem Wortstreit.
    »Aber Fräulein,« schrie die Stricker, »das erste Gesetz der Gesundheitspflege lautet: Luft, Luft und Licht! Wie kann der Körper gedeihen, wenn alle Gangfenster hermetisch verschlossen sind?«
    »Aber ich bitte Sie, Fräulein,« gab Luise sanft zurück, »meine Freundin kann den Durchzug nicht vertragen; wir haben so beständig Gliederreißen, und daß es nach unserer Küche rieche, ja du lieber Himmel! das läßt sich nicht ändern. Ihre Küche, besonders wenn Sie Zucker brennen, riecht auch nicht nach Ambra.«
    So wogte der Wortstreit noch einige Zeit.
    Emma griff lächelnd zur Feder. Sie mußte rasch ein Kapitel ihres neuen Romans umarbeiten.
    Auf einmal hörte sie, daß sich in den weiblichen Diskant des Wortstreits eine männliche Baßstimme mischte. Sie legte die Feder erstaunt

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