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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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ihm nachgeschlichen war, erbleichte. Er riß eine breite Tür des Herds auf, – ein Wutschrei! – sie hatte in naiver Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse das Feuer in den Bratofen anstatt in das vom Ofensetzer mit weiser Vorsicht dazu bestimmte Feuerloch angelegt.
    »Du bist doch eine Haupt- und Staatsschlampe!« schrie der wohl mit Recht empörte Rektor. »Nicht einmal Feuer kannst du an der richtigen Stelle anzünden! Ich will jeden meiner Sextaner herrufen, – er wird dir zeigen, wo das Ofenloch ist.«
    »So beruhige dich doch!« eiferte sie.
    »In deinem Kopf sitzt das Feuer auch nicht an der richtigen Stelle,« tobte der hosenlose Schulmann und riß die brennenden Holzscheite aus der qualmenden Öffnung, in der sonst Kuchen friedlich ihrer Reife entgegen zu backen pflegten.
    »So was kann doch vorkommen,« bemerkte sie eigensinnig, »wenn man wie ich, die ganze Nacht darüber nachgegrübelt hat, ob Göthe am fünfzehnten August oder am sechzehnten . . .«
    »Göthe wird noch im Jenseits beklagen, daß sein Geist dir in die Hände gefallen ist! Entsetzlich! Hab ich eine Häuslichkeit! Die Handlung macht dich reif für eine Heilanstalt.«
    »Du hättest halt eine Dienstmagd heiraten sollen, anstatt eine gebildete Frau!« belehrte sie ihn. »Ich habe an andere Dinge zu denken. Geistreiche Menschen sind oft zerstreut. Dir natürlich passiert so was nicht; in deinem Kopfe bewegen sich lauter abgelagerte alte, eingetrichterte Begriffe. Du warst ein Musterknabe, ein Musterschüler, ein Musterstudent, bist ein musterhafter Staatsbürger und wirst einmal im Himmel mit der Etikette versehen werden: Muster ohne Wert! während wir geniale Naturen uns mühsam durchs Leben kämpfen müssen, überall Anstoß erregen, dafür aber nach dem Tod ins Pantheon der Weltgeschichte wandern.«
    Er hatte hierauf nur ein höhnisches Lachen.
    »Wenn du doch, statt an deine Statue in Pantheon zu denken, jetzt den Kaffee machen wolltest!« ereiferte sich der Direktor.
    Das tat sie nun auch, aber wie! Zuerst goß sie das vorhandene Wasser in die leere Maschine, so daß natürlich auch das reine Wasser unten abfloß. Als sie endlich ihren Irrtum bemerkte, war es schon so spät, daß der arme Mann wütend erklärte, er werde heute im Kaffeehaus frühstücken. So stürzte er davon.
    Um acht Uhr bestieg er den Katheder. Er war garnicht bei der Sache, – aber wehe dem Schüler, der heute auch nicht ganz bei der Sache war.
    »Ich möchte wissen, wo Sie heute Ihre Gedanken haben!« höhnte der Direktor in seinem pathetischsten Entrüstungsanfall.
    »Ich will Ihnen Ihre Zerstreutheit austreiben!«
    »Äh, äh, man hat wieder einmal nichts gelernt! man setze sich!« So gings in einem fort.
    Beim Mittagessen hatte der Direktor den zweiten Ärger des Tags. Die Suppe war versalzen, das Fleisch verbrannt. Karl würzte das Essen mit verachtungsvollen Ausfällen gegen das Denunziantentum und stichelte ziemlich deutlich auf seinen Vater, da er noch nicht ganz sicher war, ob dieser nicht im Verein mit Dr. Simmer Emma Dorns Buch dem Staatsanwalt angezeigt hatte. Der Direktor blieb aber diesen bald leisen bald schroffen Anspielungen gegenüber ganz gleichgültig, ja er ergriff sogar die Partei seines Sohns und tadelte scharf jede unehrliche Kampfweise. Trotzdem ließ dessen verbittertes Gemüt nicht ab von seinem Verdacht.
    Nach dem Essen fand Karl einen Brief auf seinem Zimmer, den ihm die Mutter heimlich hingelegt, damit ihn der Vater nicht öffnen sollte. Karl las und eilte sehr erfreut gleich hinüber in das Studierzimmer seines Vaters, der sich eben ein wenig zum Mittagsschläfchen niedergelegt hatte. Jetzt gilts! dachte Karl; jetzt will ich beobachten.
    »Was ist los?« fragte der Direktor, der eben die Augen geschlossen hatte.
    »Ich dachte, es interessiere dich,« keuchte der Primaner, vor Erregung zitternd, »sonst hätt ich gewartet.«
    »Was denn?«
    Karl sah ihm scharf in die Augen. »Eben schreibt mir Fräulein Dorn, daß ihr Roman . . .« er zögerte einen Moment, der Vater erbleichte leicht, ». . . freigegeben ist.«
    Der Direktor schnellte in die Höhe. »Ah, freigegeben?« rief er, indes ein heller Freudenblitz sein braunes Auge durchzuckte. »Das ist schön, das hab ich erwartet. Das war man ihr schuldig! Sehr gut!«
    Er war ganz außer sich vor Glück, bemerkte es aber sogleich selbst und dämpfte klüglich seinen Wonnerausch, indem er mit gekünstelter Gleichgültigkeit hinzusetzte: »Nun ja; man gönnt ihr diese

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