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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Rechtfertigung. Zeig einmal her! ist das ihr Brief? Laß mich lesen.«
    Karl überreichte das Schreiben.
    »Hm . . . alles richtig, – man wird ihr ein paar Zeilen schreiben. Wart, du kannst meinen Glückwunsch selbst hintragen, vor der Schule.«
    Er der sonst in grimmigen Zorn geraten konnte, wenn man ihm seinen wohlverdienten Mittagsschlaf störte, dachte gar nicht mehr ans Schlafen, sprang auf, eilte erregt an seinen Pult und schrieb.
    Durch Karls Herz schnitt ein tiefes Weh. Er hatte sich in seiner verbitterten jugendlichen Phantasie bereits den Vater als schwarzen Angeber ausgemalt, den er also mit Grund hätte verachten dürfen. Damit wars nun nichts und es war ihm schließlich doch auch wieder angenehm, daß er ihn achten durfte. Wenn nur . . . Ja, wenn er sich nur nicht gar zu lebhaft für die schöne Emma interessiert hätte! Ob sie sich dann auch für ihn interessierte? Das war jetzt die Frage, die sein junges Gemüt folterte.
    Der Vater hatte sein Schreiben beendet, steckte es in den Umschlag und überreichte es scherzend dem Sohn. »Schau, wie sich die Zeiten ändern. Ich sende dich nun selbst zu ihr, deren Umgang ich dir verbieten wollte.«
    »Willst du den Brief ihr nicht lieber selbst überbringen?« prüfte der junge Mann das Herz seines Erzeugers.
    Der Direktor stutzte und strich sich nachdenklich über den wohlgepflegten braunen Backenbart. »Du hast recht,« sagte er zögernd. »Ich könnte . . . ich hätte ja die beste . . . hm! Nein! das geht doch wohl nicht. Man kennt das Fräulein noch nicht genug, und du weißt ja, in welchem Ruf . . . das heißt . . . was man über sie klatscht. Und meine Herren Kollegen, wenn die von meinem Besuch erführen . . . Nein, später vielleicht einmal, wenn . . . nun ja . . . später.«
    Er überreichte dem Sohn den Brief und warf ihm, gewissermaßen als Lohn für seinen Vorschlag, einen wohlwollenden Blick zu. Ja, er nickte sogar als Zeichen seiner Anerkennung, und sein rehbraunes Auge, das einzige Geniale, was von dem Wunderkind übriggeblieben war, flammte bedeutsam auf.
    Karl verließ wie vor den Kopf geschlagen das Zimmer. Der Vater hatte sich herabgelassen, den Sohn zum Vertrauten seiner Seele zu wählen! Glaubte er, daß er ihn besser verstehen werde, als irgend ein andrer Mensch? Das tat dem Sohn innerlich wohl; und doch – konnte er dies Vertrauen rechtfertigen . . . in diesem Fall?
    Der Direktor hielt heute keinen Mittagschlaf. Er saß noch lange an seinem Pult und träumte. Bist du denn wieder zum Jüngling geworden? fragte er sich lächelnd, fängst wieder an zu dichten? Hat dich dies Frauenzimmer verhext? Dich, der doch längst zum Philister erstarrt sein sollte! in dem aber doch wies scheint noch der Romantiker, der flotte Bruder Studio schlummert? Das macht wohl der geistige Umgang mit den leichtfertigen alten Griechen? Er war in einer so behaglichen Stimmung, daß er seine professorale Würde vergessend, über sich selbst lächeln mußte.
    Jetzt hörte er vor der Türe die schwerfälligen Schritte seiner Katharina . . . Da passierte ihm etwas Seltsames: ein Krampf zog ihm nach dem Herzen, immer unerträglicher, je näher ihre Schritte der Türe kamen, und als sie die Tür öffnete, befiel ihn eine solche Schwäche, daß er in den Sessel zurücksank. Er mußte die Augen schließen . . . und doch kämpfte er gegen diesen elenden Zustand an, indem er sich zurechtwies: sie kann ja nichts für ihr Aussehen, für ihre Verschrobenheit, sie meints ja ganz gut mit dir, in ihrer Weise!
    Die Frau fragte ihn etwas Gleichgültiges. Als er keine Antwort gab, bemerkte sie seine Verstörtheit. Sie glaubte, er sei unwohl, fragte und wollte besorgt sein Leiden lindern. Er lehnte ab. Sie ließ nicht nach.
    »Ich bitte dich, laß mich allein.«
    »Aber Adolf, wenn du doch krank bist?«
    »Nein! geh nur.«
    Sie verließ kopfschüttelnd das Zimmer und schickte heimlich das Dienstmädchen nach dem Dr. Müller.
    Allmälich befreite sich der Direktor von diesem seltsamen Ekelgefühl, aber noch lange Zeit lag eine gewissen Schwäche, ein Druck über seinen Nerven, den er sich nicht zu erklären wußte.
    Gerade als er das Haus verließ, um in die Schule zu gehen, begegnete ihm Dr. Müller.
    »Na?« rief der joviale alte Lebemann, »wo fehlts denn?«
    »Wos fehlt?« scherzte Körn. »Hab ich dich etwa rufen lassen?«
    Dr. Müller klärte ihn auf. Dieser Zug seiner Frau rührte ihn; sie mußte ihn also doch gern haben. Er erzählte nun dem

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