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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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alten Freund den wunderlichen Vorfall.
    »Ich kenne mich selbst nicht mehr,« seufzte er. »Meine Abneigung gegen diese Frau nimmt fast einen krankhaften Charakter an. Sie tut mir ja leid, denn sie hat ein gutes Herz, trotz all ihrer Schrullen. Aber ich kann nicht mehr mit ihr zusammenleben! ich glaube, ich gehe körperlich und geistig zu Grund.«
    Der Arzt schüttelte bedenklich den Kopf. »Es geht dir halt wie den Andern auch,« scherzte der alte Weiberfeind. »Wer ist denn glücklich verheiratet? Nur die Dummköpfe halten es in der Ehe aus. Das Christentum hat dem Weib zu viel Rechte eingeräumt. Das Weib bleibt ewig ein – ich möchte sagen, ein ungeniales Genie, ein unkindliches Kind. Und ist es nicht entsetzlich, daß ein solches Mittelding zwischen Kind und Knabe in unserer Gesellschaft, in Theater, Litteratur, Kunst und Universitätsleben den Ton angibt; daß ein geistig wie moralisch so minderwertiges Geschöpf, das eigentlich nur dazu da ist, um für die niederen leiblichen Bedürfnisse des Mannes zu sorgen, oft die gescheitesten Männer beherrscht? von Tronen herab sich in Politik und Gesetzgebung mischt? Professoren ernennt, Offiziere befördert? Büchern den litterarischen Erfolg verschafft? Den Männern eine dumme, gefährliche Prüderie aufzwingt? Die Herrschaft der Geistlichkeit aufrechterhält?«
    Körn lachte: »Hast recht, Alter, da waren meine alten Griechen vernünftiger. Damals hieß es noch nicht: suchet die Frau!«
    »Freilich!« tobte der alte Junggeselle mit komischem Ärger. »Deshalb sind uns die Griechen auch ewig unerreichbare Vorbilder. Mit dem Wort: suchet die Frau! stellt sich die Menschheit das Zeugnis aus, daß im Grunde die Dummheit die Welt regiert.«
    »Sie verdients auch nicht besser,« lachte Körn.
    »Ja,« meinte Dr. Müller mit grimmigem Hohn, »deshalb haß ich auch so diesen Göthe, der den modernen Weiberkultus so ins Riesige gesteigert hat, mit seinen Romanen und seiner ewigen Weiblichkeit. Ich kann solche Tröpfe nicht begreifen, die sich von einem halbreifen Geschöpf bis zum Selbstmord treiben lassen. Willst du genau erfahren, welch elender Narr der Mann ist, so frage nur bei edeln Frauen an . . .«
    »Nun, nun,« begütigte der Direktor, »es gibt aber doch unter diesem Geschlecht auch wirklich edle Charaktere, hervorragende Geister . . .«
    »Ach was,« eiferte der Arzt. »Was leisten diese bedeutenden Geister? Sie setzen höchstens die Goldwaren der geistigen Großkapitalisten in gangbares Kleingeld um; eigne, neue Gedanken haben sie nie! Kurzum, bester Freund, ich komme wie jener Kato wieder auf meinen ewigen Ausspruch zurück: Deine Frau muß in eine Anstalt! Nur so wird ihr und dir geholfen.«
    Körn seufzte, fast wär ihm dabei sein Bücherpaket unter seiner einklemmenden Schulter heraus in eine Pfütze gefallen. Dr. Müller erwischte noch die griechische Grammatik, die lateinische aber sauste wirklich auf die Pflastersteine. Körn hob sie wieder auf und säuberte sie; dann seufzte er noch einmal schmerzlicher.
    »Ich kann mich noch nicht hierzu entschließen,« sagte er. »Da müßte erst irgend ein Ereignis eintreten, das klar erweist, daß man sie nicht mehr unter normalen Menschen darf umhergehen lassen.«
    »Nun ja! aber bis dahin kommts so weit, daß du nicht mehr unter normalen Menschen umhergehen kannst!« polterte der Arzt und eilte kurz grüßend davon.
    Körn sah ihm zum drittenmal seufzend nach, packte seine Bücher fester unterm Arm und wandelte nachdenklich dem Gymnasium entgegen, das bereits seine mahnende Glockenstimme von fern her erschallen ließ.

    15.
    Karl hatte bei Dr. Simmer Abbitte geleistet und sich dadurch zwar einigermaßen bei ihm in Gunst gesetzt, aber alles gleich wieder dadurch verdorben, daß er ein medizinisches Werk von Professor Forel in der Klasse umherlieh. Dem Theologen war dies Werk in die Hände gefallen, als es in der Pause der junge Stern an den Sohn des Direktors zurückgeben wollte. »Solche Schriften lesen Sie?« fragte Dr. Simmer entrüstet. Von da ab hielt ihn der Theologe für einen Verlornen. Dr. Simmer benutzte die Gelegenheit, einen langen Vortrag zu halten über diese modernen Freigeister, die ihren Gott verloren haben.
    Der Direktor konnte nicht umhin, dem Theologen sein Bedauern darüber auszusprechen, daß Emma Dorns Roman wieder von der Staatsanwaltschaft freigegeben worden war. Aber aus diesem Bedauern las der gewitzte Mann Gottes eine deutliche Genugtuung heraus.
    »Es scheint mir fast, Herr

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