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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Direktor,« bemerkte er spitzig, »Sie freuen sich darüber, daß dieser verwerfliche moderne Freigeist, den Journalisten und Gottesleugner der Wissenschaft großziehen, diesmal der Staatsgewalt das Richterschwert zerbrochen hat?«
    »Nu, nu, bester Herr Doktor,« besänftigte Körn den Zorn seines Kollegen, »gestehen Sie nur ein, daß man immerhin der Kunst einige Freiheiten einräumen muß. Wo kämen wir hin, wenn man Ihre Grundsätze auf die Litteratur anwenden wollte! Da könnte man den halben Göthe und den ganzen Shakespeare einstampfen.«
    Dr. Köhler gab dem Direktor recht; überhaupt waren auf einmal sämtliche Anschauungen der Herren zu Gunsten Fräulein Dorns umgekrempelt, ein Beweis dafür, wie wenig selbständig sogar die Gebildeten urteilen. Wäre das Buch von den Richtern verurteilt worden, so hätten dieselben Herren es gerade so eifrig verdammt, als sie es jetzt in Schutz nahmen.
    Karl notierte in sein Tagebuch: »Die öffentliche Meinung ist weiter nichts, als die frech zum Gesetz erhobene allgemeine Dummheit, die nun straflos öffentliches Ärgernis erregen darf.«
    Als der Direktor am folgenden Abend nach Hause kam, hörte er, noch ehe er die Wohnungstüre geöffnet, ein seltsames Rauschen – die ganze Treppe war feucht. Sobald er die Tür aufgestoßen, stürzte ihm, zu seinem Schrecken, ein breiter Wasserstrom entgegen, der ihm die Stiefel völlig durchnäßte.
    »Um aller Götter willen,« jammerte der würdige Schulmann, »was ist da passirt? Gewiß die Wasserleitung geplatzt!«
    Die Treppe glich einem Wasserfall. Als er glücklich den Hausflur durchschwommen, fand er seine Gemahlin in aller Seelenruhe am Pult, über ihren Götheforschungen brütend.
    »Was ist das, was ist das?« brüllte er, »merkst du denn nicht, daß du ertrinkst? Wo hast du deine Sinne?«
    Jetzt erst fuhr ihr niedergebeugter Kopf aus den Papieren, sie kam zu sich, bemerkte die allgemeine Nässe und schrie: »Ach Gott, mein Bad!« Mit fliegenden Röcken stürzte sie durch die alle Zimmer überschwemmenden Fluten ins kleine halbdunkle Badezimmer, aus dessen Türe schon von weitem ein sintflutartiges Plätschern und Rauschen das Ohr entsetzte. Die Tür flog auf – da zeigte sich das Unheil. Der Badeofen war längst erkaltet, der offene Wasserkrahn aber spendete unaufhörlich sein Naß, so daß die Badewanne von allen Seiten überströmte und unendliche Bäche rauschend in alle Räume ergoß. Seit einer Stunde. Die gelehrte Frau hatte sich ein Bad herrichten wollen und hatte im Übereifer ihrer Forschungen vergessen, daß sie den Wasserkrahnen des Ofens geöffnet.
    Jetzt erst drehte sie, einer Ohnmacht nahe, den Krahnen zu und sank auf einen Stuhl. »Was hab ich getan!« jammerte sie, den Schaden überblickend. »Alle Teppiche sind hin, alle Fußböden.«
    Der Direktor geriet in eine solche Wut, daß er wie ein Wahnsinniger umherstürzte und nahe daran war seiner Katharina ein paar Tertianer-Ohrfeigen zu verabreichen.
    »Das geht so nicht länger!« tobte der geschlagene Mann, »das muß ein Ende nehmen! Die Katastrophe naht. Das bricht dem Faß den Boden aus!«
    Als endlich das Dienstmädchen von seinen Ausgängen nach Hause kam, schickte er sie zum Dr. Müller.
    Inzwischen lud er seine ebenfalls heimgekehrten beiden Söhne auf sein Studierzimmer und stellte ihnen mit bewegter Stimme und tiefer Ergriffenheit vor, daß ihre gute Mutter offenbar schon seit Jahren von einer geistigen Erkrankung befallen sei. Der Hausarzt habe ihn schon lange darauf aufmerksam gemacht. Hier müsse eingegriffen werden, sonst sei die Krankheit nicht mehr einzudämmen.
    Eduard schwieg von schmerzlichen Empfindungen erschüttert. Karl, der allerdings fühlte, daß der Vater nicht ganz Unrecht habe, widersprach, schon aus Abneigung gegen den Vater. Jedenfalls, meinte er, sei die Krankheit der Mutter, wenn überhaupt eine solche vorliege, was er bestreite, so gelinder, harmloser Art, daß es nicht gerechtfertigt sei, die Bedauernswerte deshalb in eine Anstalt zu verbringen. Der Vater stellte ihm vor, das sei leider notwendig; der Arzt wünsche es auch. Karl ward heftiger. Die Mutter sei zerstreut und exzentrisch, behauptete er, wie alle geistig Hervorragenden, aber nicht krank; er werde es nie zugeben, daß man die arme Frau in eine Anstalt sperre. Sofort erhob er sich.
    »Wo willst du hin?« fragte der Direktor, dessen Kopf hochrot geworden war.
    »Selbstverständlich,« sagte Karl mit künstlich angenommener Ruhe, »wird die Mama sofort erfahren

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