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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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ein wenig,« sagte sie, ihm offen und klar ins Auge blickend. »Einen Menschen, der seine unedeln irdischen Regungen überwindet, den muß man – vergöttern! Und ich weiß, Herr Kommerzienrat, Sie tragen unter der Asche des Egoismus einen edeln Funken. Sie haben nur eine rauhe Außenseite; ich kenne Sie besser, als Sie sich selbst kennen. Ihr Herz ist edler Wallungen fähig.«
    Er kämpfte mit seiner Genußsucht, mit seinem Geiz, aber nicht mehr lang; der Anblick der vom Jammer Gezeichneten wurde ihm immer unerträglicher. Er kam sich selbst niedrig, grausam vor, wenn er daran dachte, dies Elend ausnutzen zu wollen. Wo war jetzt ihr eigenartig-herzliches Lachen, ihr süßes ruscheliches Wesen hingekommen? Sie hatte sich in ihrem Elend in eine ganz andere Person verwandelt und diese tiefe Umänderung, die das Seelenleid in einem Charakter hervorrufen kann, wirkte mit geheimnisvollem Grauen auf das Gemüt des rohen Naturmenschen, – es war ihm als rühre sein Geist ahnungsvoll an das Übernatürliche. Sie hatte mit der Beredsamkeit der Verzweiflung das von unberechenbaren Leidenschaften beherrschte Herz dieses von der Kultur beleckten Halbbarbaren getroffen. Vielleicht lebte auch der Eitle in der Hoffnung, durch diese Tat der Großmut später doch noch mehr als die platonische Gunst der schönen Frau erwerben zu können, – kurz er erhob sich und sagte mit bewegter Stimme: »Sie solle das Geld habe.«
    Emilie stieß einen unartikulirten Ton der Freude aus, ergriff in ihrer exaltirten Weise die Hand ihres Wohltäters und drückte sie an die Lippen. »Herr Kommerzienrat!« stammelte sie, indes ihr heiße Tränen über die Wangen perlten, »das vergeß ich Ihnen nicht! Sie geben mir das Leben, die Ehre wieder! Und der arme Otto! wie freuts mich für ihn! Nun wird mein Mann fleißig weiterarbeiten, wir werden uns einschränken, – es wird Alles wieder gut! Wir sind gerettet durch Sie! den Edeln! Otto kann sich seiner Kunst widmen – durch Sie . . .«
    Heftiges Schluchzen machte es ihr unmöglich weiter zu reden. Auch Weihals konnte vor Erschütterung nicht sprechen. Das waren für ihn ganz neue, ungewohnte Emotionen; er hatte sich noch nie so glücklich gefühlt. Was waren ihm zwanzigtausend Mark bei einem Jahreseinkommen von hunderttausend? Da er bei seiner Sparsamkeit höchstens fünfzigtausend jährlich verbrauchte, konnte er die Summe mit Leichtigkeit aus überflüssigen Zinsen zahlen.
    »Warte Sie n Augenblick!« flüsterte er, ließ noch einmal einen gönnerhaften Blick über die Glückliche gleiten und ließ die Frau allein.
    Wie warm es hier im Wintergarten war! eine tropisch schwere Luft bedrückte den Atem, betäubend dufteten die exotischen Blumenkelche, die aus dem smaragdnen Schatten mit mystischem Lächeln hervorleuchteten.
    Sie wartete mit geschlossenen Augen, wie in dumpfen Halbschlaf versunken. Immer schwüler bedrückte sie dieser künstliche Wald; ihr war, als sei sie verzaubert, als könne sie nie den Ausweg finden aus diesen verschlungenen Zweigen. Das Bild ihres Mannes tauchte in ihrer Phantasie auf, wie er zu Hause wartete, mit Angst und Schrecken wartete. Bald komm ich! lispelte sie. – Aber steht nicht dieser ungebildete rohe Weihals eigentlich geistig höher als Willy? Hat er nicht den größten aller Siege errungen? Für wen tat sie diesen erniedrigenden Schritt? Doch er war ihr Gatte; so zu handeln, war ihre Pflicht.
    Die Büsche rauschten auf . . . sie schrak empor . . . Weihals stand vor ihr, zum Ausgehen gerüstet. Und fünf Minuten später saß er mit ihr im Automobil auf dem Weg zu seinem Bankier.
    *
    In der Freude ihres Herzens eilte sie sofort in Ottos Wohnung, die näher lag als ihre eigne. Sie stürzte wie im Traum die vier halbdunklen Stiegen hinauf, die von oben durch ein riesiges Glasdach ein trübes Licht erhielten. Endlich stand sie atemlos vor der Türe, auf der ihr die Karte mit der Aufschrift: »Otto Grüner Kunstmaler« entgegenleuchtete. Zitternd vor Erregung, malte sie sich die Freude des armen Künstlers aus. Jetzt polterte es, nachdem sie die Klingel in Bewegung gesetzt, im Innern der Mansardwohnung.
    Als Otto, den Pinsel in der Hand, mit verstörter Miene erschien, schrie sie fast auf, taumelte hinein ins Atelier und ließ ihren Freudentränen den Lauf.
    »Frau Rechtsanwalt?« rief er, »was ist Ihnen?«
    »Was hab ich hier?« schluchzte sie, das Banknotenpaket hochhaltend, »was hab ich hier? Raten Sie, raten Sie!«
    Über seine melancholischen Gesichtszüge

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