Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
zu werden. »Ich habe noch etwas Knabberkram.«
»Ist das etwa eine versuchte Einflussnahme?« Die Stimme des Gerichtsvollziehers zerschneidet die Luft über dem Vorplatz, die Praktikantin schiebt sich näher an Walpar heran.
»Also gut«, sagt Walpar und strafft seinen Körper. Er lässt den Blick über das Publikum schweifen, während er in Gedanken die Badewanne abhakt, zwinkert kurz in die Kamera (was dem Regisseur ein Stöhnen entlockt) und versucht so auszusehen, als hätte er die Lage im Griff. »Wie lauten die Vorwürfe gegen mich?«
»Diebstahl urheberrechtlich geschützten Eigentums«, knallt die Stimme des Gerichtsvollziehers wie eine Peitsche. Das Publikum raunt pflichtschuldig.
»Das ist ja«, winkt Walpar ab, »nur ein einziger Vorwurf. Mehr haben Sie nicht drauf?« Einzelne Gaffer kichern.
Herr Gerichtsvollzieher verfärbt sich purpurrot. Die Praktikantin lässt sich das nicht entgehen und hält ihm die Kamera direkt vor die Nase, bis sie merkt, dass ihr Regisseur verzweifelt gestikuliert und an seinem Bart zupft.
Sie tritt den Rückzug an und flucht lautlos.
»Sie verkennen den Ernst der Lage«, versetzt der Gerichtsvollzieher. Er zückt einen Minicomputer, der bisher in seiner Hosentasche steckte. »Ich stelle hiermit akute Fluchtgefahr fest.«
Walpar schaut nach allen Seiten, aber niemand ist gekommen, um ihn zu retten. »Wohin sollte ich fliehen, ohne über Gaffer zu stolpern?« Einige Zuschauer verziehen beleidigt das Gesicht. Es sind vereinzelte Buh-Rufe zu hören, und ein vorwitziger Senior zeigt die Daumen-runter-Geste.
»Aufgrund der akuten Fluchtgefahr pfände ich hiermit Ihre Organe«, erklärt der Gerichtsvollzieher unbeeindruckt und bearbeitet energisch seinen Handcomputer.
»Meinen Penis kriegen Sie nicht!«, blafft Walpar. Das bringt ihm Kichern und spontanen Applaus ein. Der Regisseur macht eine Weiter-so-Geste, und Walpar deutet eine Verbeugung an. Er weiß, wie man ein Publikum unterhält, er hat den Job lange genug gemacht. Der Gerichtsvollzieher nicht, denn er fängt an, geschraubt formulierte und für Normalsterbliche völlig unverständliche Paragraphen runterzuleiern. Diesmal meinen die aufkommenden Buh-Rufe ihn.
»Der Kerl ist doch harmlos«, verkündet Walpar mit ausufernder Gestik.
»Haben Sie mal einen Scheidungsanwalt erlebt? Ich kenne einen, der nur geheiratet hat, um zwei Wochen später an seiner eigenen Scheidung zu verdienen.« Dafür erntet der Weltraumdetektiv breites Gelächter. Sogar die Leute an den Fenstern des gegenüberliegenden Hauses lachen mit, allerdings leicht verspätet, weil sie Walpars Stimme nicht direkt gehört haben, sondern nur aus dem in ihrem Zimmer angeschalteten Fernseher.
»Im Namen des Rechteinhabers fordere ich Sie auf, mir Ihre Organe zwecks sicherer Aufbewahrung auszuhändigen«, fordert der Gerichtsvollzieher und hält die Hand auf. Walpar starrt sie unschlüssig an. Ihm fällt allerdings auf Anhieb kein Organ ein, das er kurzfristig übergeben kann. Er überlegt fieberhaft, wie er aus dieser Sache herauskommt, ohne dass ein reicher Wichtigtuer morgen mit seiner Milz herumläuft. »Ich könnte Ihnen einen Gutschein ausstellen«, schlägt Walpar vor und hat die Lacher mal wieder auf seiner Seite. »Wenn Sie mir ein Stück Papier leihen«, setzt er noch einen drauf.
Der Gerichtsvollzieher zieht die hingehaltene Hand zurück und plustert sich auf. »Ich stelle hiermit fest, dass Sie Ihre Organe nicht übergeben können oder wollen. Daher muss ich Ihren Körper in Schutzverwahrung nehmen, damit die gepfändeten Organe nicht abhandenkommen.«
»Normalerweise verliere ich meine Leber nicht einfach so«, entgegnet Walpar.
»Ha! Aber Sie könnten sie versetzen und meinen Mandanten damit um den ihm zustehenden Wert bringen.«
Langsam wird Walpar verärgert. Dieser Knilch hat sich offenbar fest vorgenommen, ihm den Abend zu verderben. Walpar findet, dass in diesem Fall das ansonsten problematische Konzept »Auge um Auge« angemessen ist. Er wendet sich dem Regisseur zu und zeigt auf den Gerichtsvollzieher. »Sagen Sie mal, Chef, zahlt Ihr Sender diesem Kasper eigentlich Honorar für seinen lustlosen Auftritt? Ja? Ich könnte mir vorstellen, dass ein pixeliger George-Clooney-Avatar die Sache besser macht und dabei weniger kostet.«
»Reden Sie nicht mit mir! Sprechen Sie mich nicht an!«, zischt der Regisseur und rauft sich den Bart. »Ich bin quasi gar nicht da!«
»Die Zuschauer auch nicht«, meint Walpar. »Die haben längst umgeschaltet. Zu einem
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