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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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zahlen.«
»Das tun die freiwillig?«
»Erst seit einigen Gegenprozessen, die ich gewinnen konnte. Letztes Jahr habe ich mein Apartment gekündigt und bin ganz hierher gezogen.«
»Wegen der attraktiven Wohnlage?«
»Meine alte Wohnung lag am südlichen Autobahnzubringer. Hier ist es deutlich ruhiger«, erklärt der Inder. »Die Luft ist besser und regelmäßige Mahlzeiten haben auch noch keinem geschadet.«
»Also nur Vorteile.«
Jankadar wirft einen Seitenblick auf den Mann mit dem Bauch. »Eins mehr, wenn Mister Zuscheks Fall abgeschlossen ist. Dürfte nur noch ein paar Monate in Anspruch nehmen. Öffentliches Urinieren ist schließlich ein Klecks im Vergleich zu meinem Fall.«
»Weshalb wurden Sie denn verklagt?«
»Software-Patente«, antwortet Jankadar. »Ziemlich kompliziert. Es geht um Bytecode-Kongruenzen und eingeschränkte Kompatibilität zu proprietären Interfaces.«
»Wir sind aaaalle verdammt!«
»Das ist ja schrecklich«, entfährt es Walpar.
»Schade ist«, meint Jankadar, »dass die betroffene Software seit zwei Jahren gar nicht mehr eingesetzt ist. Eine Universal-KI von der Konkurrenz hat die Kontrolle übernommen.«
»Wegen der … Kompatibilität?«
»Nein, um die Programmierer-Stellen abbauen zu können. So eine KI kostet weder Gehalt noch Rentenversicherung oder Arbeitsplatzsicherungssteuer, bloß ein bisschen Strom.« Jankadar sieht traurig aus. Spontan scheinen sich dunkle Flecken unter seinen Augen gebildet zu haben. »Es war eine sehr elegant programmierte Software.«
»Hat sie denn auch funktioniert?«
Jankadars Kopf schwankt hin und her. »Meistens. Und sie genügte auch den schärfsten Anforderungen der ITC.«
»ITC?«
»Initiative gegen Trashcode. Computerfreaks lieben Abkürzungen. Sie sind ihre Geheimsprache. Haben Sie auch eine?«
»Schlimmer. Ich muss ständig welche entziffern.«
»Tut mir leid.«
»Macht nichts, ist ja mein Job.«
»Vielleicht sollte ich doch mal Ihre Sendung einschalten.«
»Sie wurde abgesetzt.«
»Warum?«
»Das Übliche.« Walpar zuckt mit den Schultern. »Neuer Eigentümer, Umstrukturierung, Reorganisation, Programmgewichtungsumgestaltung …«
»Klingt nach unmenschlichen Bedingungen.«
»Auf meinem Sendeplatz läuft jetzt eine Pizzabäcker-Soap.«
»Ich muss zugeben«, meint Jankadar, »dass die vermutlich mehr Merchandising-Optionen bietet.«
»Und Slapstick. Mit Tomaten-Schlachten und Käse-Missgeschicken. Wo ist hier eigentlich die Toilette?«
»Da drüben«, zeigt Jankadar. »Aber Sie dürfen Ihre Akte nicht mitnehmen.«
»Ich weiß«, presst Walpar hervor. »Ich weiß.«
Nach mehreren Stunden Lektüre der Akten findet Walpar endlich heraus, warum er hier ist. Der Anwaltskonzern WeWin© hat ihn im Auftrag eines ungenannten Mandanten wegen Diebstahl urheberrechtlich geschützten Eigentums verklagt, und bei diesem Eigentum handelt es sich um nichts anderes als um den Dreck unter dem Fingernagel Gottes.

8 PharmaCode-Entgiftungsanstalt, Mars
     
    Einlullendes KI-Gedudel, reinigende Infusionen, nostalgische Jump-and-Run-Spiele. Kerbil vergeht nach ein paar Stunden die Lust, entgiftet zu werden. Weil die Tür seiner Kammer verschlossen ist (sicher ein Versehen, das sich in Kürze aufklären wird), scrollt sich der Junge durch die Optionen des Zellencomputers. In der dritten Menüebene haben die Entwickler Testcode versteckt. Er ermöglicht Kerbil den Zugriff auf das Entlassungsformular.
»So einfach kann das nicht sein«, summt Kerbil vor sich hin und schließt das Formular. »Das muss eine Falle sein.« Nachdenklich liest Kerbil die Werbeaufschrift, die über die Stirnseite seiner Kammer flitzt. Möglicherweise ergeben die Anfangsbuchstaben eine Botschaft. Während Kerbil versucht, die zu entziffern, ohne die Vorzüge der beworbenen Produkte wahrzunehmen, merkt er, dass er zittert. Außerdem hat er furchtbare Kopfschmerzen. Dabei hat dieser blecherne Barkeeper ihm nicht einmal einen Drink eingeschenkt.
Vermutlich hat er das Abendessen nicht vertragen.
Fröstelnd umklammert Kerbil seine Beine. Mit Schuhen ist das unbequem, also zieht er sie aus. Der Zellencomputer bietet in seinem ikonifizierten Menü einen Becher warmes Wasser, und Kerbil tippt mit dem Finger darauf. Eine Klappe in der elfenbeinfarbenen Plastikwand fährt herunter und ein Becher mit blauen Schmetterlingen wird herausgefahren. Vorsichtig, um nichts zu verschütten, greift Kerbil nach dem Getränk.
Viel zu spät kapiert Philip Marlowes Assistent, dass ihn jemand loswerden will. Das Wasser ist

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