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Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)

Titel: Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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spannenderen Sender. Zum Kerzengießerkanal oder Gartenzwerg TV.« Jetzt grölen die Zuschauer. Die Kamerafrau keucht und kriegt einen Lachanfall. Mit letzter Kraft gelingt es ihr, ihr Arbeitsgerät einigermaßen gerade zu halten.
Dummerweise fährt in diesem Moment ein grauer, unbeschrifteter Lieferwagen vor. Drei Bewaffnete in Overalls steigen aus und halten ihre Schießprügel in eine Richtung, die Walpar überhaupt nicht gefällt. Eindeutige Gesten legen den Verdacht nahe, dass die Show für den Moment vorbei ist und er nicht der siegreiche Kandidat ist. Er grinst ein letztes Mal in die Kamera.
»Das war's dann für heute! Mein Name ist Walpar Tonnraffir, Weltraumdetektiv vom Mars. Unterzeichnen Sie eine Online-Petition zu meinen Gunsten, kaufen Sie mit Spenden meine Organe frei und in Kürze wird meine eigene Show wieder zu sehen sein. Ich freu mich drauf, tschüss Mars!« Walpar winkt, straft den Gerichtsvollzieher mit Ignoranz, wirft Kusshändchen in die tosend applaudierende Menge und stolziert in den grauen Lieferwagen.
Als die Türen mit blechernem Knall zufallen und den Jubel der Zuschauer abschneiden, schwinden Lachen und Zuversicht aus Walpars Gesicht.

Der Kerker der Anwaltskanzlei WeWin© erinnert an ein Möbelgeschäft für altenglischen Geldadel, bloß sind überall Nutzungsbedingungen und Haftungsausschlüsse aufgehängt: knarzlederne Ohrensessel, schnörkelige Glastische, dunkelbraune Regale mit gebundenen Gesetzestexten aus einem längst überholten Zeitalter. Unter der Decke Kristalllüster, am Boden blasse Perser und andere geknüpfte Muster, die man keinesfalls zu lange betrachten sollte, wenn man nicht ein paar aufmunternde Pillen dabeihat. Da sich der Raum in einem Keller des Kanzleigebäudes im Dichterviertel von Olympus City befindet, gibt es keine Fenster. Abgesehen von Walpar befinden sich gegenwärtig drei weitere Personen hier: Ein bärtiger, etwas ungepflegt wirkender Bauchbesitzer, der einen grauen Pullover mit durchgescheuerten Stellen an den Ellenbogen trägt, sitzt in einem Ohrensessel und betrachtet intensiv seine Fingernägel. Ein junger, dunkelhäutiger Mann mit wachen Augen, schwarzen Haaren, Stirnpiercing und fahriger Gestik läuft vor einer Regalwand auf und ab, als würde er das schon seit Monaten tun. Person Nummer drei ist eine dickliche Tante, die auf einer Treppenleiter steht und einen Lüster entstaubt, als würde sie schlecht dafür bezahlt. »Bin fertig«, brummt sie und nutzt die Gelegenheit der offenen Eingangstür, durch die Walpar gebracht wird. Die drei Männer bleiben allein zurück.
Weder der Bauchmann noch der Dunkelhäutige zeigen Interesse, Walpar näher kennenzulernen. Der Weltraumdetektiv seufzt und lehnt sich an einen freien Ohrensessel. Das erinnert ihn an seine lädierte Schulter, und er nimmt lieber die andere Seite. Er versucht, gelassen zu wirken, während er seinen Pinguin hervorholt, um die Anwalts-Hotline anzurufen.
»Name?«, fragt der Pinguin.
»Walpar Tonnraffir«, sagt Walpar irritiert. »Aber das weißt du doch.«
»Ich wurde umkonfiguriert und gehöre jetzt Philip Marlowe.«
Walpar kann sich denken, wem er das zu verdanken hat. Er vergewissert sich, dass seine beiden Kerkergenossen ihn weiterhin ignorieren. »Mein Name ist Philip Marlowe«, erklärt Walpar leise, aber bestimmt.
»Lügner«, entgegnet der Pinguin. »Eben hast du noch gesagt, dein Name sei Walpar Tonnraffir und nicht Philip Marlowe. Ich verweigere die Zusammenarbeit.«
»Ich muss aber telefonieren«, insistiert Walpar.
»Nicht mit mir.«
Walpar unterdrückt den Impuls, das Handy gegen das nächste Haftungsausschluss-Plakat zu donnern.
»Wir sind verdammt«, heult der Bauchmann, dann widmet er sich wieder seinen Fingernägeln.
»Er ist schon seit einem halben Jahr hier drin«, erklärt der Dunkelhäutige.
»Und mein Name ist Tonnraffir«, sagt Walpar schnippisch.
»Der aus dem Fernsehen?«
»Genau.«
Der Mann grinst und zeigt weiße Zähne. Er wirkt asiatisch, fällt Walpar auf. Vermutlich hat er indische Vorfahren. Walpar tippt auf einen Stammbaum aus immigrierten Programmiersklaven, im Informationszeitalter entwurzelt aus ihrer Heimat, sodass spätere Generationen die Namen von Hindu-Gottheiten für Schleifenvariablen verwenden, bis der Codereview auch diese Spiritualität ausmerzt. »Sie können nicht gut singen«, sagt der Inder.
»Deshalb tu ich's auch nicht«, entgegnet Walpar, während sein Hirn gemächlich der Frage nachgeht, wieso der Inder darauf zu sprechen

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