Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
erkennen – und stellt ihr ein Bier ohne Schaum hin.
»Sie öfter trinken das Zeug?«, fragt der Abenteurer. »Davon man kriegt spitze Ohren, es scheint.«
»Zahlen Sie Lizenzgebühren für diesen Sprachfehler?«
Der Chinese grinst und entblößt dabei perfekte Zähne. Seine Nase scheint mehrfach gebrochen und wieder gerichtet worden zu sein. Eine senkrechte Furche in der Stirn lässt das Gesicht ein wenig asymmetrisch aussehen. »Mein Name Lang X. Die Agentur den Sprachfehler in meinen Zeitvertrag geschrieben hat. Mir tut leid. Oder … mir leid tut?«
Nera lacht, dann streckt sie dem Chinesen die Hand hin. »Herr X, es freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Nera Zerhunnin, und ich habe einen Auftrag für Sie.«
Tilko Zerhunnin hasste Zeitverschwendung. Es gab nur eines, das er noch mehr verabscheute: Zeitverschwendung, die eine Menge Geld kostete.
Er saß mit Walpar in einem simulierten Strandcafé, das nicht pro Drink, sondern pro Minute abrechnete, bloß weil das Wanddisplay gegenüber einen Avatar zeigte, der vorgab, mit ihnen am Tisch zu sitzen, um sich ihre Beziehungsprobleme anzuhören. Er ist die sympathische Universallösung in einer Gesellschaft, in der so-tun-als-ob bereits in der Krabbelgruppe mit bevorzugtem Knuddeln belohnt wird.
»Ihr solltet offen über eure Schwierigkeiten reden«, surrte der Avatar und griff sich an den Krawattenknoten.
»Machen wir. Können wir jetzt gehen?«, schnappte Tilko.
»Machen wir nicht «, beschwerte sich Walpar. »Schau mal, seit sie meine Soap eingestellt haben, fehlt es vielleicht etwas an Geld. Aber wir reden einfach nicht drüber!«
Tilko verdrehte die Augen. »Reden hilft da nicht, bloß arbeiten.«
»Man könnte auch Geld an der Börse gewinnen oder Touristen ausnehmen oder Fotos von Prominenten verkaufen«, gab der Avatar zu bedenken.
Er breitete die Arme so weit aus, dass seine rechte Hand aus dem Wanddisplay ragte und im Nichts zu verschwinden schien. »Steuerbetrug, Immobilienverkauf, Organspende! Es gibt unendlich viele Möglichkeiten! Ihr müsst sie nur ausnutzen!« Der Avatar ballte eine Faust.
»Ich hätte noch ein Herz abzugeben«, knurrte Tilko.
»Nein!«, entfuhrt es Walpar. »Wie kannst du so was sagen?«
Tilko beugte sich zu dem Psycho-Avatar. »Siehst du? Er bekommt alles in den falschen Hals. Früher fand ich das süß. Heute ärgert es mich. Außerdem …« Er sprang auf. »Außerdem ist er groß darin, vom Thema abzulenken. Das hat doch alles keinen Sinn.« Tilko winkte ab und machte Anstalten, die Simulation zu verlassen.
»Warte!«
»Viel Erfolg für eure weitere Zukunft, und auf Wiedersehen bis zum nächsten Besuch«, winkte der Avatar und verblasste im virtuellen Sonnenuntergang.
Vor der Beratungsbox hatte sich eine Schlange gebildet. Ganz vorn stand ein blasses Pärchen, das es auf einen Altersunterschied von 30 Jahren brachte und schüchtern Händchen hielt.
Tilko schob sich vorbei, Walpar stürmte hinterher. »Tilko, warte doch!“Im gleichen Moment bimmelte Walpars Pinguin. »Die AuftragsannahmeNummer!«, zwitscherte das Telefon, als Walpar es aus der Hemdtasche zog.
»Jetzt nicht«, redete er auf das Gerät ein und steckte es wieder weg.
»Baby, der Avatar hatte doch ein paar gute Ideen. Mach doch nicht alle gleich schlecht!«
»Siehst du?«, schimpfte Tilko und blieb stehen, direkt neben einem Pärchen, dessen weiblicher Part wie ein Vampir aussah, der männliche wie ein Zombie. »Das wäre eine Gelegenheit gewesen, Geld zu verdienen, mit einem neuen Auftrag. Und was machst du? Du lehnst das Gespräch ab und streitest lieber mit mir.«
»Geld ist doch nicht das Wichtigste im Leben.«
»Du bist ein Schlappschwanz, Walpar«, sagte Tilko ernst. »Wenn dein Sender nicht vergessen hätte, dir das Apartment zu kündigen, könntest du dir eine Höhle in der nächsten Düne buddeln.«
Walpar erschrak. »Ich dachte, ich könnte bei dir …«
Tilko raufte sich die blonden Haare, schüttelte den Kopf. »Du hast als Kind die falschen Pillen genommen.«
»Komm mir nicht mit so einer blöden Redensart.«
Nach einem Blick auf seine neongelbe Armbanduhr legte Tilko Walpar die Hand auf die Schulter. »Hör zu, ich habe gleich einen Termin. Drück die Daumen. Es geht um einen Job.«
»Okay«, nickte Walpar ernst. »Ich rufe währenddessen meinen Auftraggeber zurück. Wir kriegen das hin.«
Das erwies sich als unnötig. Kaum hatte Tilko sich verabschiedet, bimmelte der Pinguin erneut.
»Weltraumdetektei Tonnraffir, was gibt's?«, meldete Walpar
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