Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
einer Freundin über den neuen Song von DJ Pappe gesprochen«, begrüßt Araballa ihn. »Wie ist deine Meinung dazu?«
»Keine Ahnung«, zuckt Kerbil mit den Schultern. »Ich habe ihn noch nicht gehört, weil ich derzeit Nachforschungen anstelle.«
»Ach wirklich? Laut Geotracking hast du die vergangene Nacht in einer Entgiftungsanstalt verbracht.« Araballas Avatar klimpert mit den riesigen Augenlidern. »Was für Nachforschungen stellt man an so einem Ort an?«
»Alle möglichen«, entgegnet Kerbil säuerlich. Araballas Anwesenheit saugt seine Schlagfertigkeit auf. Das darf er nicht zulassen, also reißt er sich gehörig zusammen. »Ich muss dir jetzt ein paar wichtige Fragen stellen, und du beantwortest sie besser wahrheitsgemäß. Sonst muss ich das melden.«
»An wen?«
»An meinen Boss. Philip Marlowe. Der große Detektiv. Ich bin sein Assistent.« Stolz erfüllt Kerbils Stimme wie Araballas Hintern ihre knappe Glitzerjeans.
»Wer ist das?«
Kerbil seufzt und lässt seinen Avatar die Mitleidpose einnehmen. »Du hast in Popkultur einfach nicht aufgepasst.«
»Doch, aber vergiss nicht, dass das nach Geschlechtern getrennt unterrichtet wurde.«
»Und ihr habt Philip Marlowe nicht durchgenommen?«
»Nein, aber Brad Pitt und George Clooney. Ziemlich süße Kerle, kennst du die?«
Kerbil schüttelt den Kopf, und die neunmalkluge Sensorik in Walpars Heimcomputer kriegt das mit und überträgt die Bewegung auf den Avatar.
»Vielleicht kannst du mir trotzdem helfen. Hack dich doch schnell in das Tagebuch von deinem Vater. Kann ja sein, dass da was Interessantes drinsteht.«
»Na gut, weil du es bist.« Araballa stellt ihren Avatar auf Automatik, woraufhin der damit beginnt, eine Sandburg zu formen. Komplett mit Türmchen, Wehrgängen und Wassergraben.
Kerbil verkneift es sich, eine Gruppe Actionfiguren herbeizurufen, um die Burg zu bevölkern. Er ist doch kein Kind mehr! Er sollte diesen Chatraum löschen, jawohl, das sollte er. Unzufrieden öffnet er ein Fenster und schaut sich ein paar Nachrichtensendungen über den Finger an. Er sieht, wie ein Trupp Forscher, die ein chinesischer Konzern verpflichtet hat, gewaltlos am Betreten des Fingers gehindert werden. Die dortige Pilgermiliz lehnt jede wissenschaftliche Untersuchung des göttlichen Phänomens ab und hat auch schon einen Reisebus zur Umkehr gezwungen, weil einer der Touristen wie ein Physiker aus einer Uni-Soap aussah.
Trotz intensiver Suche haben weder Astronomen noch Abenteurer oder Kleinkriminelle weitere Körperteile in der Erdumlaufbahn entdeckt. Auf der Erde ist man inzwischen dazu übergegangen, ein Gebet gen Himmel zu schicken, immer wenn der Finger nachts gut sichtbar seinen Weg von Ost nach West nimmt.
Araballa hört auf, im Sand zu spielen. »Viel habe ich nicht gefunden. Papa hat zu viel zu tun im Sektenaufklärungszentrum. Ständig rufen ihn Leute an, die fragen, welche Fingersekte die günstigste ist, wenn man Pflichtspenden und Seelenheil abwägt.«
»Das steht in seinem Tagebuch?«
»Nein, er hat gestern Mama davon erzählt. Beim Abendessen.«
»Ihr esst gemeinsam zu Abend?«
»Ja, und zur Belohnung, dass ich geduldig dabei sitzen bleibe, kriege ich mehr Taschengeld. Leistungsorientierte Bezahlung, weißt du?«
»Was steht denn nun in seinem Tagebuch?«
Araballa streicht sich ihre rosa Haarsträhne in die Augen. »Hüter des Brotbaumes halbiert Preis für heilige Blätter. Elben von Bruchwald verbieten gerichtlich Verbreitung ihres Nacktkalenders. Ankunftssekte hat Postwurfsendungen nach dreizehn Jahren offenbar eingestellt. Alles Einträge von letzter Woche.«
»Augenblick«, unterbricht Kerbil und befielt dem System mit einer fahrigen Handbewegung, Araballas letzten Satz als Text einzublenden. »Die Ankunftssekte?«
»Keine Ahnung, vielleicht hat mein Papa sich verschrieben.«
»Warum sollten die ausgerechnet jetzt ihre Postwurfsendungen einstellen?«
»Weil ihre Druckmaschine den Geist aufgegeben hat?«
»Nein«, versetzt Kerbil, »weil sie wussten, dass der Finger auftaucht.«
»So ein Quatsch«, meint Araballa, »das könnten auch die Brotbaumleute mit dem gleichen Argument …«
»Schwatzi«, unterbricht Kerbil, »wer ist hier der Detektiv, du oder ich?«
»Keiner«, stellt Araballa fest, »du bist nur der Assistent von einem.«
»Das macht doch überhaupt keinen Unterschied«, wischt Kerbil den Einwand beiseite. Gleichzeitig öffnet er damit das Beenden-Menü. »Ich muss los. Du weißt schon. Nachforschungen anstellen. Ich lade dich zu
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