Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
einem Drink ein, wenn ich den Fall gelöst habe.«
»Tu dir einen Gefallen«, verabschiedet sich Araballa, »geh nicht zu vielen Leuten auf die Nerven, ja?«
Kerbil beobachtet, wie der Sandkasten zusammengefaltet wird und in der Ecke des Bildschirms verschwindet. Mit einem Wink schaltet er die Wandprojektion ab. Marlowe wird zufrieden sein, wenn er von seinen Fortschritten erfährt. Sein nächstes Ziel ist klar: Er muss ermitteln, wo sich das Hauptquartier dieser Ankunftssekte befindet. Dann muss er sich dort einschleichen und Gespräche belauschen. Notfalls muss er einem Vertreter der Sekte die Fresse polieren, um an Informationen zu kommen. Sicher gibt es ein paar Ministranten, die ihm körperlich unterlegen sind.
Vorher aber geht Kerbil schnell noch aufs Klo. Dann nimmt er eine Pille gegen den Hunger sowie eine gegen Antriebslosigkeit. Als er gerade zur Wohnungstür gehen will, klappt die auf.
»Oh, hallo«, sagt Henriette. »Wir haben uns bestimmt in der Tür geirrt, Mama.«
»Mister Marlowe ist nicht da«, sagt Kerbil automatisch, als er Henriettes Mutter erkennt. Die schaut irritiert auf das Türschild. »Marlowe? Ach.« Sie fuchtelt mit ihrer Panda-Handtasche. »Du willst mich wohl veralbern, was? Hab ich sofort gemerkt. Mit mir nicht, junger Mann. Und halt dich von der Virenschleuder fern, Henriette. Er hat die Pest und kann außerdem lesen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.«
»Ich habe keine Pest«, protestiert Kerbil.
Henriette hüpft ins Wohnzimmer. »Darf ich den Fernseher anschalten, Mama?«
»Von mir aus. Hauptsache, du spielst nicht mit diesem …« Sie wedelt mit der Hand.
»Kerbil. Kerbil Routwegen. Assistent von Philip Marlowe.«
»… Kasper. Du wolltest gerade gehen, oder?«
Kerbil nickt. »Und was wollen Sie hier?«
»Das geht dich überhaupt nichts an. Ist schließlich nicht deine Wohnung, oder? Nein, ist sie nicht. Siehst du. Auf Wiedersehen.« Henriettes Mutter beobachtet, wie ihre Tochter es sich auf dem Sofa bequem macht. Die Schuhe hat sie ausgezogen, jetzt klaubt sie Reste von Knabberkram aus den Ritzen. »Oh nein«, haucht ihre Mutter. Sie fährt herum und hält Kerbil an der Schulter fest, obwohl der Junge keine Anstalten macht, die Wohnung zu verlassen. »Warte. Gibt es hier in der Nähe einen Spielplatz?«
»Eine Schrotthandlung«, zuckt Kerbil mit den Schultern. »Aber da ist's gefährlich.« Er sagt das, weil er keine Lust hat, mit Henriette spielen zu gehen. Er hat Wichtigeres zu tun. Nachforschungen.
Henriettes Mutter hält sich die Hand vor die Augen. »Oh nein was mach ich nur was mach ich nur«, flüstert sie immer wieder.
»Du, Kerbil?«, fragt Henriette kauend. »Was hältst du eigentlich von dem großen Finger?«
»Körperteile. Sind. Kein. Thema!«, keift ihre Mutter. »Was isst du da! Komm her, nimm sofort eine Breitspektrum-Entgiftungspille.« Sie wendet sich Kerbil zu. »Eine tolle Erfindung, willst du auch eine? Hilft bestimmt auch gegen deine Pest.«
»Sie wollen Marlowe umlegen«, presst Kerbil düster hervor.
»Umlegen? Ich? Wo denkst du hin? Ich kenne gar keinen Mahloff! Haha!«
»Marlowe. Philip Marlowe. Der berühmte Detektiv.«
Henriette kommt angehüpft und sperrt den Mund auf, um ihre Pille zu schlucken.
»Langsam begreife ich«, überlegt ihre Mutter und sieht Kerbil tief in die Augen. »Entrückter Blick Typ 3a, irreguläres Pupillenpulsieren.« Sie nickt wissend. »Du stehst unter dem Einfluss einer psychogenen Substanz. Deshalb hältst du deinen Onkel für Philip Marlowe.«
Derweil läuft Henriettes Wartezeit ab. Sie klappt den Mund zu, zwinkert und schleicht wieder zum Sofa. Eine unbekannte Kraft will Kerbil befehlen, ihr zu folgen. Aber er hat Wichtigeres zu erledigen. Er muss Marlowe das Leben retten. Das ist er ihm schuldig. Schließlich hat er ihm Unmengen Psychips gekauft.
»Mylady.« Kerbil stellt sich auf die Zehen und stemmt die Arme in die Hüften. »Sie können mich foltern oder töten, von mir werden Sie nicht erfahren, wo Mister Marlowe sich versteckt hält.«
»Aha«, macht Henriettes Mutter und piekt Kerbil den Zeigefinger in die Brust, »langsam zeigen sich Phobos und Deimos. Er hat geahnt, dass ich mit ihm noch nicht fertig bin, und hält sich versteckt.«
»Äh«, quäkt Kerbil, »genau. Ja. Genau.« Er liebt es, Erwachsene zu leimen. Mit gespielter Traurigkeit, die jeden Regisseur in den Vorruhestand treiben würde, säuselt er: »Gehen Sie jetzt, um Mister Marlowe umzubringen?«
»Wie kommst du bloß auf so was? Du liest zu viel. Das
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