Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes (German Edition)
aussteigen?«, ruft ein junger Mann, der ein Käppi mit Werbespotdisplay trägt.
Er erhält keine Antwort, darauf ist Version 8.1 offenbar nicht programmiert.
Stattdessen blinkt der Großbildschirm, auf dem bisher Werbung für Merchandising-Artikel lief, gelegentlich unterbrochen durch Slapstick-Sketche.
Die Großaufnahme eines Anzugträgers erscheint. Walpar erkennt sofort zwei Dinge: Erstens handelt es sich um eine improvisierte Aufnahme, denn man sieht jede verstopfte Pore des Typs, und er hat viele davon. Zweitens kennt Walpar den Kerl, weil der vor ein paar Tagen seine Organe gepfändet hat.
Version 8.1 kommt auf die Idee, den Ton lauter zu drehen. »… im Namen der provisorischen Regierung der Orbitalkanzlei gebe ich bekannt:
Jeder Versuch einer Landung stellt einen Akt kriegerischer Invasion nach Paragraph 195 bis 197 des Erneuerten Völkerrechts dar und erlaubt es der provisorischen Regierung, Gegenmaßnahmen und, aufgrund des durch die provisorische Regierung verhängten Ausnahmezustands aufgrund Paragraph 204 bis 208, Vergeltungsangriffe gegen die Heimatländer der Invasoren und ihrer Verwandten bis zu zweiten Grades …«
»Buuuh!«
»Warum läuft so ein Psychopath frei herum?«, fragt Nera.
Walpar legt den Finger auf die Lippen. »Er ist doch nur Jurist. Er kann nicht anders.«
»… weise ich, obschon nicht dazu verpflichtet, darauf hin, dass jegliche Berichterstattung über die politischen Ereignisse im Zusammenhang mit der Inmachtsetzung der provisorischen Regierung der Orbitalkanzlei der noch nicht eingerichteten lokalen Zensurbehörde vorzulegen ist, die aufgrund Paragraph 1081 bis 1083 der Zweiten Weltpresserechterklärung jegliche Inhalte zu streichen ermächtigt ist, die geeignet sind, eine unzutreffende oder ungenaue Wahrnehmung des Vorgangs in der Öffentlichkeit …«
»Der Kerl kommt mir irgendwie bekannt vor«, murmelt Nera.
»Es ist derselbe, der meine Organe gepfändet hat«, versetzt Walpar. »Er gehört zu dem Laden, dem ihr die Fußballer auf den Leib gehetzt habt. WeWin.«
»WeWin©«, korrigiert Lang X. »Man erhebliche Ärger mit Patentfragen bekommt, wenn man vergisst das ©.«
»Mehr als meine Organe pfänden können sie wohl kaum«, murrt Walpar.
»Ich da nicht so sicher«, schüttelt Lang X den Kopf.
»Haben die den Finger beschlagnahmt oder was?« Nera aktiviert ihre Handtasche und schaut, ob sie im Netz Informationen zu diesem bedeutungsvollen Vorgang findet. Die Schlagzeilen sind im Moment allerdings voll von spirituellen Wichtigtuern, die Nagelknipser als wahre Schlüssel zum Paradies identifiziert haben wollen.
Walpar lauscht derweil den weitschweifigen Erklärungen des ehemaligen Gerichtsvollziehers, der nun zum Sprecher der provisorischen Regierung des unabhängigen Staates namens Orbitalkanzlei aufgestiegen ist. Die Einreise, so der Sprecher, sei nur mit speziellen Visa möglich, deren Ausstellung allerdings aufgrund eines wirren Paragraphen des Interplanetaren Bürokratie-Dekrets bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen könne.
Langsam begreift Walpar, was das geschraubte Gefasel von bewaffneten Milizen und obskuren Gesetzen soll: reine Ablenkung. Solange Charterbusse und Reisende damit beschäftigt sind, die ganzen Paragraphen zu lesen, auf die der Sprecher sich bezieht, sehen sie von einer Landung besser ab. Ärger mit Anwälten kommt nur in Betracht, wenn man sicher ist, das Recht auf seiner Seite zu haben. Dies erweist sich im Nachhinein allerdings oft als kostenintensiver Irrtum.
»Die Anwälte haben den Finger nicht ohne Grund in Besitz genommen«, überlegt Walpar laut.
Lang X legt die Stirn in Falten. Nera sieht von ihrer Handtasche auf und findet das unheimlich sexy.
»Uns Gründe nichts angehen«, sagt Lang X. »Nicht aus den Augen verlieren Auftrag.«
»Welchen Auftrag?«
Nera seufzt. »Er soll mir dabei helfen, du weißt schon wen zu finden.«
»Kerbil?«
Nera klatscht sich die flache Hand vor die Stirn. »Den hätte ich fast vergessen! Auf dem Finger ist er vermutlich nicht. Oder kann er sich eingeschlichen haben, bevor die Anwälte ihn besetzt haben?«
»Dann werden sie ihn früher oder später abschieben«, ist sich Walpar sicher. »Manische Marlowe-Fans erhalten kein politisches Asyl.« Er hat durchaus begriffen, dass Nera vom eigentlichen Thema abgelenkt hat. Aus Erfahrung weiß er genau, dass sie zu stur ist, um die Wahrheit so einfach preiszugeben. Walpar kann es sich ohnehin leicht vorstellen. Sie sucht Tilko, und Lang X soll ihr dabei gutaussehende
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