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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Territorium waren leistungsschwach, es fehlte an qualifizierten, erfahrenen Kadern. Insbesondere in der Uckermark sah es nicht gut aus. Walter Ulbricht forderte: »Industriearbeiter in den Norden!« Dem Ruf folgten viele.
    Am 20. April 1963 erschien auf einer ganzen Seite im Neuen Deutschland ein von Ulbricht unterzeichneter »Brief des Zentralkomitees an die Werktätigen der sozialistischen Landwirtschaft«, in dem es um Realisierung der Parteitagsforderung ging, die Bevölkerung »besser mit Nahrungsmitteln und die Industrie mit Rohstoffen aus der eigenen Produktion zu versorgen«. Unter der Zwischenüberschrift »Futter und nochmals Futter« hatte es dort geheißen: »Eine hohe Futtererzeugung ist die Voraussetzung für eine hohe Produktion von Fleisch, Milch und Eiern. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass mehr ertrag- und eiweißreiche Kulturen an Stelle der ertrag- und eiweißarmen angebaut werden.« Dann folgte eine Aufzählung, welche damit gemeint waren.
    In der gleichen Zeitung erschien in jener Zeit ein Beitrag, in welchem der Rückstand bei der Frühjahrsbestellung in unserem Bezirk kritisiert wurde. Unter der Überschrift »Schaupflügen statt Haferaussaat« glaubte ein Journalist den Grund für unsere Rückstände ausgemacht zu haben. Das führte dazu, dass Walter Ulbricht sofort zum Hörer griff und bei mir anrief. Ich war allerdings nicht im Büro, sondern im Bezirk unterwegs. So bekam Hans Gerlach, der 2. Sekretär der Bezirksleitung, stellvertretend für mich das ganze Donnerwetter ab. Es war nun wirklich reichlich albern, dass das traditionelle Wettpflügen für die Planrückstände herhalten musste, die Vorhaltung war nicht nur ungerecht, sondern gründete sich auch auf Unkenntnis. Aber sie genügte, mir ein doppelt schlechtes Gewissen zu bereiten: erstens, weil wir tatsächlich bei der Frühjahrsbestellung zurücklagen, und zweitens, weil mich mein Chef nicht ans Telefon bekommen hatte. So etwas hinterlässt nie einen guten Eindruck.
    In der Folgezeit schaute wiederholt der Landwirtschaftsminister Hans Reichelt vorbei. Gemeinsam besuchten wir Genossenschaften, erkundigten uns danach, ob und wie Unterstützung gegeben werden sollte. Allerdings bekamen wir auch viel unsachliche Kritik zu hören, die deutlich machte, dass es noch etliche Kräfte in den Dörfern gab, die die Arbeit der Genossenschaften behinderten, wenn nicht gar störten.
    Und auch die Genossenschaftsbäuerinnen sollten stärker in die Entwicklung eingebunden werden. Ende November 1963 versammelten sich Bäuerinnen aus allen Kreisen des Bezirkes Neubrandenburg im Urlauberdorf Klink, um mit Lotte Ulbricht in ihrer Funktion als Mitglied der Frauenkommission beim Politbüro und mit Margarete Müller, Vorsitzende der LPG Kotelow und Kandidat des Politbüros, über die Lage zu beraten. Hans Beiser, Leiter des Büros für Landwirtschaft der Bezirksleitung, sorgte für den ersten Lacher im Saal und bei Lotte Ulbricht für leichte Verstimmung: Er begrüßte sie als »Genossin Walter Ulbricht«.
    Nach der lebhaften Diskussion, auf der viele über ihre Erfahrungen und Erfolge berichteten, lobte Lotte Ulbricht die großen Talente und organisatorischen Fähigkeiten der Bäuerinnen und monierte, »dass die Bäuerinnen noch nicht die notwendige Unterstützung erhalten. Das beginne bei der Bezirksleitung der Partei. Genossin Ulbricht schlug vor, im Bezirk einen komplexen und konkreten Plan für die Förderung der Bäuerinnen auszuarbeiten. Nur wenn die Frauen entsprechend ihrer Stellung in der Gesellschaft in die Leitung der Genossenschaft einbezogen werden, kann der Bezirk die Produktion maximal steigern.« 11
    Anschließend kam sie zu mir. Sie hatte unser Agitationsmaterial in der Hand und meinte, was das solle mit dieser industriemäßigen Produktion in der Landwirtschaft. Ich war irritiert und sagte, dass die Partei es so beschlossen habe. Und baute darauf, dass ihr Walter daheim erläutere, was damit gemeint sei. Uns war das offensichtlich mit unserem Material nicht gelungen.
    Irgendwie schien unsere Beziehung unter keinem glücklichen Stern zu stehen. Im darauf folgenden Jahr wollten wir den 20. Jahrestag der demokratischen Bodenreform mir einem Staatsakt in Neubrandenburg begehen und zugleich das 1. Zentrale Erntefest der DDR feiern. Nachdem im Frühjahr die Ernteaussichten gut standen, sorgte ein nasser Sommer für gewaltige Einbrüche. Die Halme knickten unterm Regen, die Getreidefelder lagen flach. Auch wenn die

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