Walter Ulbricht (German Edition)
den Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Am 12. März 1985 vereinbarten Helmut Kohl und Erich Honecker in Moskau: »Die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und Souveränität aller Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen (sind) eine grundlegende Bedingung für den Frieden.«
Aus diesem Grund stellt die strafrechtliche Verfolgung von DDR-Führungspersönlichkeiten, Militärs und Zivilisten im vereinten Deutschland im Nachhinein eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention dar. Sie ist zugleich eine Beleidigung der Verbündeten der früheren DDR, der souveränen Würde der Russischen Föderation, der Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion, und des Andenkens an 27 Millionen Sowjetmenschen, die im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben gelassen haben.
Unserer Meinung nach wurden die gerichtlichen Verfahren gegen staatliche und militärische Persönlichkeiten der DDR tendenziös geführt. Die gefällten Urteile haben deren Rechte, ihre Ehre und ihre Würde aufs Gröbste verletzt. Die Regierenden in Deutschland wiederum behaupten: »Die Bundesregierung ist im Verlauf der deutschen Einigung keinerlei völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen, die die Tätigkeit des Rechtssystems gegenüber staatlichen und politischen Persönlichkeiten der ehemaligen DDR vor Russland oder den anderen Teilnehmerstaaten des Zwei-plus-Vier-Vertrags begrenzt haben könnten.«
In einer Erklärung des Russischen Außenministeriums vom 18. November 1999 wurde unterstrichen: »Es entsteht der Eindruck, dass die hartnäckige Konsequenz, mit der im vereinten Deutschland politische Persönlichkeiten der ehemaligen DDR gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden, das Ziel hat, politisch mit der ehemaligen DDR abzurechnen und den ehemals souveränen und von der internationalen Gemeinschaft anerkannten Staat als unrechtmäßig und seine Führer als eine Gruppe von Kriminellen darzustellen. Darüber hinaus trägt der Urteilsspruch im Fall von Krenz, wie von vielen, darunter auch von deutschen, Experten eingeschätzt wird, nicht zum Prozess der Überwindung der psychologischen Zersplitterung der deutschen Nation bei, die auch bis heute, ein Jahrzehnt nach dem Fall der Berliner Mauer noch nicht der Vergangenheit angehört. Nur die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung von politischen und militärischen Persönlichkeiten, von DDR-Bürgern wird helfen, den Teufelskreis politischer Rache und Revanche zu durchbrechen, und trägt zur Festigung des internationalen Ansehens Deutschlands als Rechtsstaat und der Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Russland und der Bundesrepublik bei.« Die Bundesrepublik indes ignoriert demonstrativ die früheren Vereinbarungen.
Daran war während des 20. Jahrestages der DDR und bei unseren Begegnungen mit Walter Ulbricht wirklich nicht zu denken, eher schon zwanzig Jahre später, zum 40. Jahrestags, zumindest ahnungsweise.
Ein weiteres Treffen mit Walter Ulbricht war mit einem wichtigen Ereignis der Geschichte von Komsomol und FDJ verbunden. Es war das Deutsch-Sowjetische Jugendfestival in Dresden. Unsere Delegation traf am 2. Oktober 1970 in Berlin ein. Zu ihr gehörten mehr als 500 junge Aktivisten, ausgezeichnete Schüler, Studenten und Armeeangehörige, begabte Wissenschaftler, Kulturschaffende und Olympiasieger. Unter den Ehrengästen waren Helden der Sowjetunion wie Armeegeneral Iwan I. Fedjuninskij, der Kosmonaut Walerij Bykowski, der Testpilot Georgij Mossolow, der Schriftsteller Boris Polewoj, der Filmregisseur Roman Karmen, die Komponisten Alexandra Pachmutowa, der Dichter Nikolaj Dobronrawow, Professor N. I. Sokolow, der an der Rettung der Schätze der Dresdner Gemäldegalerie beteiligt war 9 , und die sechsfache Olympiasiegerin Lidija Skoblikowa.
Am 3. Oktober 1970 erfolgte die feierliche Eröffnung des Festivals in Dresden. Ungeachtet des strömenden Regens versammelten sich über 100.000 junge Leute aus allen Bezirken der Republik. Die Partei- und Staatsführung der DDR unter Leitung Walter Ulbrichts und der sowjetische Botschafter Pjotr A. Abrassimow waren erschienen. Die Festivalflamme, in der die Ewige Flamme vom Grab des Unbekannten Soldaten an der Kreml-Mauer und die Ewige Flamme von der Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus und Militarismus in Berlin verschmolzen, stieg empor. Es erklangen die Hymnen der DDR und der Sowjetunion. Der 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ Günther Jahn wandte sich
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