Walter Ulbricht (German Edition)
retteten. Es war unmöglich, die Tränen zurückzuhalten.
Jeder, wirklich jedes unserer Delegationsmitglieder, hatte in den tosenden Jahren mindestens einen Familienangehörigen verloren: den Vater, den Großvater, den Bruder, die Mutter, die Schwester …
Am Abend des 8. Oktober lud der sowjetische Botschafter zu einem Essen. Unter den Gästen waren Walter Ulbricht, seine Frau Lotte, Mitglieder des Politbüros des ZK der SED sowie herausragende Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Sport. Das DDR-Staatsoberhaupt wertete das Festival der Freundschaft als bedeutendes politisches Ereignis.
Nachdem ich nach Moskau zurückgekehrt war, berichtete ich Breshnew von den wesentlichsten Ergebnissen des Festivals und überbrachte ihm nicht nur die Grüße, sondern auch die Bitte von Ulbricht und Stoph, die wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und der DDR zu verbessern. Wir nannten das damals »vertiefen«.
Der Generalsekretär erkundigte sich dezidiert nach der Art des Verhältnisses zwischen dem Ulbricht und seinen Genossen, merkliches Interesse bekundete er bezüglich Honecker und Stoph.
Im Sommer 1973 nahm ich mit einer Komsomoldelegation an den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Berlin teil, zu der mehr als 25.000 junge Menschen aus 140 Ländern gekommen waren. Dies war ein grandioses Treffen der Jugend des Planeten! Uns betrübte daher die Abwesenheit des erkrankten Walter Ulbrichts, der auch für die Vorbereitung dieses Treffens so viel getan hatte. Mit tiefem Schmerz nahmen wir dann die Nachricht auf, dass am 1. August 1973, wenige Tage nach Eröffnung des Festivals, Walter Ulbricht verstorben sei. Er war einer der bedeutendsten Führungspersönlichkeiten der DDR und der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung, ein wahrer Patriot, Internationalist, Freund und Lehrmeister der Jugend.
7 1963 war Walter Ulbricht vom Obersten Sowjet der Ud SSR der Ehrentitel »Held der Sowjetunion« verliehen worden.
8 In Krasnogorsk, während der Schlacht um Moskau 1941 schwer umkämpft, befand sich das Kriegsgefangenenlager Nr. 27. Dort wurde im Juli 1943 das Nationalkomitee »Freies Deutschland« ( NKFD ) gegründet, zwei Monate später der »Bund Deutscher Offiziere« ( BDO ). Daran waren maßgeblich deutsche Emigranten wie Walter Ulbricht, Wilhelm Pieck und andere KP -Funktionäre beteiligt. Im ehemaligen Gebäude der Zentralen antifaschistischen Schule für Kriegsgefangene wurde 1985 in Anwesenheit von Vertretern aus der DDR und der BRD das »Memorialmuseum deutscher Antifaschisten« eröffnet. Heute ist die Einrichtung eine Filiale des Moskauer Zentralmuseums des Großen Vaterländischen Krieges.
9 Die Staatliche Gemäldegalerie Dresden hatte die Kunstwerke aus begründeter Furcht vor der Vernichtung ausgelagert. Diese etwa anderthalbtausend Gemälde galten als vermisst, bis 1955 die Regierung der Sowjetunion 1.240 Gemälde nach erfolgter Restaurierung zurückgab. 1963 informierte die DDR , dass 206 Kunstwerke zerstört worden seien und 507 noch vermisst würden. Heute werden noch immer etwa 450 Gemälde vermisst.
10 Der Begründer der Sowjetunion war am 22. April 1870 als Wladimir Iljitsch Uljanow in Simbirsk zur Welt gekommen, weshalb man das Jahr, in welchem er 100 geworden wäre, zum Leninjahr erklärte und eine Vielzahl von Veranstaltungen und Ehrungen, Wettbewerbe und Konferenzen diesem Anlass widmete.
11 Erich Wendt (1902-1965), gelernter Schriftsetzer, 1925/26 Redakteur im Verlag der Kommunistischen Jugendinternationale in Moskau, danach beim ZK des KJVD in Berlin tätig. 1931 Emigration in die Sowjetunion, 1936 Opfer der Parteisäuberung und Ausschluss aus der KPD , 1937 bis 1939 Verbannnung in Sibirien, 1941 neuerliche Deportation. Von 1942 bis 1947 Mitarbeiter bei Radio Moskau, danach Rückkehr nach Berlin und Leiter des Aufbauverlages. Von 1949 bis 1965 gehörte er dem Präsidialrat des Kulturbundes der DDR an, von 1951 bis 1953 war er dessen 1. Bundessekretär, seit 1958 Vizepräsident. Von 1950 bis 1958 war Erich Wendt Abgeordneter der Volkskammer und Vorsitzender der Kulturbund-Fraktion. Von 1953 bis 1957 leitete er die Lenin-Abteilung im Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED ( IML ). Von 1957 bis 1965 war er Stellvertreter, danach Staatssekretär im Ministerium für Kultur der DDR . 1963 war Erich Wendt an den Verhandlungen zum Passierscheinabkommen mit Westberlin maßgeblich beteiligt. Wendt war
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