Walter Ulbricht (German Edition)
in der BRD muss »der Rechtsweg« beschritten werden.
Art. 106 DDR-Verfassung regelte die Staatshaftung. Er gewährleistete, dass Bürgern Schäden an ihrem persönlichen Eigentum zuverlässig ersetzt bekamen.
Im GG findet sich ein Art. 34 mit der irreführenden Überschrift »Haftung bei Amtspflichtverletzungen«. Diese Verkündung erweist sich Eulenspiegelei. »Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.«
Mit anderen Worten: Regresspflicht für politische oder andere Fehlentscheidungen besteht nicht, und wer das Gefühl hat, betrogen oder belogen worden zu sein, darf gern klagen.
Da aber stehen die Prozesskosten vor.
Kurzum, die namentlich von Walter Ulbricht auf den Weg gebrachte und per Volksentscheid 1968 angenommene Verfassung war ein Meilenstein in der deutschen Rechtsgeschichte. Sie bildete die Grundlage für wahrhaft demokratische Rechtspflege. Dass sie in etlichen Punkten der Wirklichkeit vorauseilte und manche gesetzliche Ableitung mehr der aktuell-politischen Lage, sprich: der Klassenkampfsituation folgte als den Intentionen der Verfassungsväter, nimmt nichts von ihrem demokratischen, sozialistischen Charakter.
1 Karl Polak (1905-1963), Jurist, promovierte 1933 und emigrierte unmittelbar danach als Jude in die Sowjetunion. 1946 kehrte er in die sowjetisch besetzte Zone zurück. Er trat der SED bei und wurde Leiter der Abteilung Justizfragen beim Parteivorstand. Er war einer der Autoren der vom Verfassungsausschuss des Deutschen Volksrates erarbeiteten gesamtdeutschen Verfassung, die 1949 als DDR -Verfassung angenommen wurde. 1949 übernahm er eine Professur an der Leipziger Universität und beriet Walter Ulbricht in Staats- und Rechtsfragen. Er gehörte zu den 20 Mitgliedern des 1960 gegründeten Staatsrates der DDR
2 In der Lehrpraxis wurden die betreffenden Rechtsfragen als »Staatsrecht II « behandelt; später fand das Rechtsgebiet »Verwaltungsrecht« ganz offiziell – wieder – seinen gebührenden Platz im vom Minister für das Hoch- und Fachschulwesen bestätigten Studienplan der Grundstudienrichtung »Rechtswissenschaft«.
3 Siehe Erich Buchholz, Richard Hartmann, John Lekschas: Sozialistische Kriminologie, Staatsverlag der DDR , Berlin 1966
4 1972 wurde diese Möglichkeit durch einen Federstrich abgeschafft: die halbstaatlichen Betriebe wurden durch Verstaatlichung gegen Entschädigung volkseigen. Der in der Nachfolge von Hilde Benjamin seit 1967 amtierende Justizminister Kurt Wünsche ( LDPD ) reagierte darauf mit seiner Demission. Soweit die Enteigneten nach 1990 ihre Betriebe von der Treuhandanstalt zurückerhielten, mussten sie die von der DDR gewährte Entschädigung zurückzahlen. Nicht wenige dieser Unternehmen gingen pleite, weil die Treuhand erbarmungslos auf ihren Zahlungsforderungen bestand.
5 Die Aufgaben des Ministerrates wurden im Art. 78 der DDR -Verfassung bestimmt. Er »organisiert im Auftrage der Volkskammer die politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen sowie die ihm übertragenen Verteidigungsaufgaben des sozialistischen Staates.«
6 Dr. Heinrich Hohmann ( NDPD ) wurde die Leitung einer Arbeitsgruppe übertragen, der der Generalstaatsanwalt der DDR , ein dem Präsidium des Obersten Gerichts der DDR angehörender Oberrichter sowie weitere mit der Rechtspflege befasste Vertreter von Behörden sowie ich als Strafrechtswissenschaftler angehörten. Vgl. Erich Buchholz: »Strafrecht im Osten. Ein Abriss über die Geschichte des Strafrechts in der DDR «, Berlin 2008.
7 Diese fundamentale verfassungsrechtliche Aussage wurde bewusst in Art. 48 fixiert, weil die Weimarer Verfassung in ihrem Art. 48 die weitreichenden Vollmachten des Reichspräsidenten enthielt, die letztlich den Weg zur Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten von Hindenburg eröffneten.
8 Zur Missachtung dieses Rückwirkungsverbots bei der rechtswidrigen Strafverfolgung von DDR -Bürgern durch die bundesdeutsche Strafjustiz nach 1990 siehe Erich Buchholz: » DDR -Strafrecht unterm Bundesadler«, Berlin 2011
9 Diese Festlegung ist somit nicht nur ein Auftrag an den Gesetzgeber wie der
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