Walter Ulbricht (German Edition)
erzählen. Erinnerungen an Willy Brandt« heißt es wörtlich: »Mir wurde zunehmend bewusst, dass er (gemeint ist Adenauer – d. Hrsg.) und Walter Ulbricht kongenial waren. Jeder der beiden wollte seinen Landesteil sichern und sein Gewicht im jeweiligen Lager, ob Ost oder West, erhöhen. Und jeder erwies sich als die in seinem Teilstaat stärkste Persönlichkeit, die die politische Szenerie beherrschte.«
15 Egon Bahr: Das musst du erzählen. Erinnerungen an Willy Brandt, Berlin 2013, S. 91
16 ebenda
17 ebenda
Kurt Wünsche
Vom Hohenschönhausen-Häftling zum Justizminister der DDR
Kurt Wünsche, Jahrgang 1929, Eintritt in die LDPD 1945 und Funktionen im Landesverband Sachsen und von 1951 bis 1954 im Parteivorstand. Im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 kurzzeitig als »Agent« inhaftiert. Fernstudium an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam und Promotion (gemeinsam mit Manfred Gerlach) zum Dr. jur. 1964. Seit 1965 Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates, seit 1967 – in der Nachfolge Hilde Benjamins – Justizminister. Rücktritt 1972 wegen der Verstaatlichung von privaten und halbstaatlichen Betrieben. Lehrtätigkeit als Professor für Gerichtsverfassungsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Vom 13. Januar bis 16. August 1990 erneut DDR-Justizminister im Kabinett von Hans Modrow und Lothar de Maizière.
A ls ich befragt wurde, ob ich einen Beitrag zu diesem Buch leisten wolle, war ich mir nicht bewusst, worauf ich mich eingelassen hatte. Mein erstes Manuskript erschien mir (leider erst gegen Ende der Ausarbeitung) durch zu häufige Wiederholungen bekannter Fakten und Daten aus dem Leben und politischen Wirken Walter Ulbrichts misslungen. Neben der eigenen Erinnerung stehen zahllose – sich nicht selten widersprechende – Biografien und Wertungen in Büchern und im Internet auf Abruf bereit.
Ein Buch, von dessen Titel her ich es nicht erwartet hätte, war für mich besonders beeindruckend. 1 Herausgeber Frank Schumann formulierte in seinem knappen Vorwort bis dahin ungewöhnliche, durch den Inhalt des Buches aber anschaulich belegte Thesen. Er bezeichnet dort Walter Ulbricht als »Reformer und Modernisierer« 2 . Und ich verweise auf einen höchst interessanten Essay des klugen und bekannten deutsch-britischen Historikers und Publizisten Sebastian Haffner aus dem Jahre 1966, der sich mit der Frage beschäftigt, wie »gerade Ulbricht der erfolgreichste deutsche Politiker nach Bismarck und neben Adenauer werden konnte«. 3
Walter Ulbricht, der nach der Machtübergabe an die Faschisten steckbrieflich als führender Kommunist und Reichstagsabgeordneter gesucht wurde, konnte sich nach sechs Monaten im Untergrund der Verhaftung durch Flucht nach Paris und später nach Prag entziehen, wo er für die jeweiligen Auslandsorganisationen der KPD arbeitete. 1938 verlegte er sein Exil nach Moskau und wurde Vertreter des ZK der KPD beim Exekutivkomitee der kommunistischen Internationale (EKKI). Er gehörte zu den Initiatoren des Nationalkomitees »Freies Deutschland« (NKFD) und war an der Gewinnung von Generälen, Offizieren und Soldaten, die in sowjetische Gefangenschaft geraten waren, für eine Mitwirkung am demokratischen Aufbau nach dem Sieg über den Faschismus maßgeblich beteiligt.
Nach der Rückkehr Walter Ulbrichts in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands war er vor allem mit dem Wiederaufbau der KPD beschäftigt, deren Gründung bereits am 11. Juni 1945 stattfinden konnte. Es folgten kurz danach unter Führung von Otto Grotewohl die Wiedergründung der SPD sowie die Neugründungen der Christlich-Demokratischen Union sowie der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands (LDPD), der ich mich mit 16 Jahren anschloss.
Am 14. Juli 1945 bildeten diese vier Parteien – unter Wahrung ihrer Selbständigkeit – den Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien in der sowjetischen Besatzungszone. Dies war der Ausgangspunkt für eine über mehr als vier Jahrzehnte währende, erfolgreiche, wenn auch nicht immer unproblematische Zusammenarbeit. Diesem Block schlossen sich die 1948 gebildete Nationaldemokratische Partei (NDPD) und die Demokratische Bauernpartei (DBD) an. Hinzu kamen Massenorganisation wie der FDGB und die FDJ.
1946 fanden Landtagswahlen statt. In der sowjetisch besetzten Zone trat die inzwischen aus KPD und SPD gebildete SED sowie LDPD und CDU an. In allen fünf Ländern ging die SED als die mit großem Abstand stärkste Partei aus den Wahlen
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