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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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dass ich als Bürgerlicher es später noch einmal versuchen solle, jetzt müssten erst einmal die Kinder der Arbeiter und Bauern studieren. Das nannte man Brechung des Bildungsprivilegs.
    Ich war verärgert, zog aber – im Unterschied zu vielen anderen abgewiesenen Studienbewerber – nicht nach Westdeutschland. Dort saßen mir zu viele Ehemalige auf den Kathedern.
    Ganz zufällig wurde mir die vakant gewordene Funktion eines hauptamtlichen Geschäftführers einer großen Dresdener Stadtbezirksgruppe der LDPD angeboten. Die Partei zählte zu jener Zeit mehr als 10.000 Mitglieder in Dresden. Ich habe offenbar gut gearbeitet, denn ich war ein Jahr später bereits Abteilungsleiter im Stadtkreisverband, wieder ein Jahr später in gleicher Funktion im Landesverband Sachsen, und 1951, mit 22 Jahren, berief man mich zum Leiter der Hauptabteilung für Organisation in der zentralen Parteileitung in Berlin. (Wohl auch – wie manch anderer - durch die kriegsbedingte Generationslücke begünstigt).
    Walter Ulbricht war in jener Zeit maßgeblich und wirkungsvoll bemüht, die Politik eines engen Bündnisses der Klassen und Schichten im Rahmen der Blockpolitik und der Nationalen Front im Interesse der DDR verstärkt fortzusetzen. Seine neuen Funktionen als Generalsekretär des ZK der SED und Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates waren dabei sehr hilfreich. Er ermunterte insbesondere die anderen Parteien dazu, international – natürlich vor allem in anderen progressiven Staaten – Kontakte aufzunehmen und Erfahrungen auszutauschen. Die LDPD war bereits dabei, mit Parteien in Polen und in der Tschechoslowakei in Verbindung zu treten. Walter Ulbricht meinte aber, dass seine Empfehlung auch andere Kontinente einschlösse. Er denke da beispielsweise an die Volksrepublik China, wo es Privatbetriebe mit staatlicher Kapitalbeteiligung gebe. Wir machten uns kundig und erfuhren dabei, dass neben der KP noch acht weitere Parteien existierten, darunter auch solche, die uns ähnlich waren. Im Unterschied zur LDPD bestehen diese noch immer.
    Die »Gesellschaft für den demokratischen Aufbau Chinas« praktiziert das Modell der staatlichen Beteiligung an Privatbetrieben bis heute sehr erfolgreich. Mit dieser Partei stellten wir freundschaftliche Beziehungen her, tauschten Delegation und nahmen wechselseitig an Parteitagen teil. Mit den dort gemachten Beobachtungen brachten wir Vorschläge für die staatliche Kapitalbeteiligung an privaten Betrieben in der DDR ein, die jahrelang mit sehr guten Ergebnissen arbeiten sollten. Darauf werde ich in anderem Zusammenhang noch zurückkommen.
    Hier möchte ich etwas aus »Lotte und Walter« zitieren, weil es sich kaum besser formulieren lässt: »Irgendwann hatte Ulbricht begriffen, dass weder das sowjetische Modell 1:1 auf Deutschland übertragen werden kann, noch dass die Sowjetunion unter Stalin es ernst meinte mit der ›Weltrevolution‹. Die UdSSR dachte, was das Recht einer Großmacht ist, seit den 30er Jahren meist an sich, und zwar bedingungslos selbsterhaltend. Als Walter Ulbricht auf der 2. Parteikonferenz am 9. Juli 1952 den Aufbau der Grundlagen des Sozialismus proklamierte, war das ein Staatsstreich, gleichsam ein Putsch von oben, der Bismarcksches Format hatte. Der Genosse Generalsekretär […] erpresste Moskau mit der Tatsache, dass man einen sozialistischen Verbündeten nicht dem Klassenfeind ausliefern konnte. […] In der sogenannten Stalin-Note vom 15. März 1952 hatte Moskau den Westmächten den Rückzug aus Deutschland (und damit die Preisgabe der DDR) angeboten, wenn die Bundesrepublik nicht in den Westblock eingebunden würde. Über gesamtdeutsche Wahlen sollte ein neutrales Deutschland (als Puffer und Teil eines cordon sanitaire zur UdSSR ) geschaffen werden.« 5
    Die Startbasis für das Projekt Aufbau der Grundlagen des Sozialismus war selbstverständlich eine entsprechende Steigerung des Nationaleinkommens, aber diese Basis wuchs nicht, sondern schrumpfte, weil die Westzonen bzw. die BRD ihre Reparationspflichten gegenüber der Sowjetunion, die mit weitem Abstand die größten Kriegsschäden erlitten hatte, nicht erfüllten. Als die Reparationsleistungen 1953 offiziell eingestellt wurden, hatte die Sowjetzone/DDR Leistungen in Höhe von 99,1 Milliarden DM an die Sowjetunion erbracht. Demgegenüber standen Reparationsleistungen der Westzonen/BRD an deren Besatzungsmächte in Höhe von 2,1 Milliarden DM. Das war auch einer der Gründe dafür, dass die Entwicklung

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