Walter Ulbricht (German Edition)
Kreissekretär aus dem Kreis Klötze, d. h. ausnahmslos um hauptamtliche Funktionäre der LDPD. Sie waren Agenten des »Ostbüros der FDP« und der KgU des Herrn Hildebrandt und hatten den Auftrag, im Falle einer Verhaftung mich als ihren Chef zu belasten, und zwar mit verschiedenen, nicht miteinander vergleichbaren Zeit- und Ortsangaben. Auf diese Weise sollten Personen in den Blockparteien, die politisch dem Westen nicht in den Kram passten, ausgeschaltet werden.
Wie ich später in einem Gespräch von Walter Ulbricht erfuhr, hatte sich während meiner Haft mein väterlicher Freund Johannes Dieckmann, Präsident der Volkskammer, sehr besorgt an ihn gewandt und auch im Namen meiner Angehörigen um Auskunft über meinen Verbleib gefordert. Bei der von Ulbricht zudem veranlassten Überprüfung des Verfahrens wurden diverse Mängel festgestellt, deren Abstellung alsbald zu meiner Haftentlassung führte. Ich erhielt 2.000 Mark Haftentschädigung und einen dreiwöchigen Erholungsaufenthalt in Oberhof mit meiner Frau.
Bald danach wurde Manfred Gerlach zum Generalsekretär der Partei berufen und ein Sekretariat des Zentralvorstandes gebildet, dem neben Gerlach vier Sekretäre, darunter auch ich, angehörten.
Nach dem Tod von Präsident Pieck 1960 und der Berufung Gerlachs zum Stellvertreter des Vorsitzenden des neu gebildeten Staatsrates übernahm ich die Funktion eines Stellvertreters des Generalsekretärs der LDPD. An einem Chemiestudium war mir nicht mehr gelegen. Auch meine eben genannten bedrückenden Erfahrungen legten mir nahe, ein Jurastudium an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften zu absolvieren, wo ich später auch promovierte und habilitierte. Außerdem wurde ich 1954 als Abgeordneter der Volkskammer gewählt, der ich bis 1976 angehörte. Zunächst war ich Mitglied des Jugendausschusses, später des Justizausschusses und des Verfassungs- und Rechtsausschusses.
Die Grenzsicherungsmaßnahmen am 13. August 1961 hatten zwar eine Konsoldierung der politischen und wirtschaftlichen Situation in der DDR bewirkt, die aber zunächst noch nicht zufriedenstellend war. Auf dem VI. Parteitag der SED im Januar 1963 leitete Walter Ulbricht eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik nach dem »Grundsatz des höchsten ökonomischen Nutzeffekts« und der »materiellen Interessiertheit« ein. Am 24./25. Juni 1963 verabschiedete eine gemeinsam vom Zentralkomitee der SED und dem Ministerrat einberufene Wirtschaftskonferenz die Richtlinie für das neue ökonomische System zur Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖSPL). Sie wurde am 15. Juli vom Staatsrat der DDR als Richtlinie der künftigen Wirtschaftspolitik beschlossen. Das NÖSPL war faktisch ein staatliches Programm zur Reform der Planwirtschaft. Es war auf eine stärkere Eigenständigkeit von Betrieben – auch bei der Verwendung erzielter Gewinne – sowie auf die Beschränkung und Präzisierung der Plankennziffern und auf eine stärkere Steuerung durch Zinsen, Prämien, Abgaben und Preise gerichtet. Die »materiellen Hebel« zur Steigerung der individuellen Leistungen (z. B. Prämien, Urlaubsplätze) sollten entwickelt werden. Immerhin stieg 1964 die Arbeitproduktivität um sieben Prozent.
Wenn ich mich richtig entsinne, war Walter Ulbricht 1965 von Präsident Nasser nach Ägypten eingeladen und mit allen Ehren eines Staatsoberhauptes empfangen worden, ohne dass bereits normale zwischenstaatliche Beziehungen zwischen beiden Staaten bestanden oder unmittelbar hergestellt werden sollten.
Von 1965 bis 1972 war ich als Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates für den aus Gesundheitsgründen ausgeschiedenen LDPD-Vorsitzenden Dr. Suhrbier tätig. 1967 wurde ich zusätzlich als Minister der Justiz berufen.
In einem längeren persönlichen Gespräch während des Urlaubs in Dierhagen erörterten Ulbricht und ich auch die Frage, wie wir trotz Hallstein-Doktrin und Alleinvertretungsanspruch Bonns volle diplomatischen Beziehungen zu anderen Staaten herstellen könnten. Dabei ging es u. a. um das Angebot des Abschlusses von Rechtshilfeverträgen. Ulbricht zeigte sich dabei als gewiefter Stratege.
Zum einen mussten solche Verträge, deren Realisierung vergleichsweise wenig Aufwand erforderte, in aller Regel von den obersten Vertretungskörperschaften der beteiligten Staaten ratifiziert werden, weil es sich um Staatsverträge handelte. Diese Ratifizierung aber war ein Akt, der die beiderseitige staatliche Anerkennung der Partner bewirkte oder
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