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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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bekräftigte.
    In diesem Sinne und in ständigem Kontakt zum Staatsratsvorsitzenden habe ich 1969/70 gemeinsam mit Spezialisten meines Ministeriums Vertragsverhandlungen mit Nahoststaaten geführt und mit den Staatschefs Al Bakr (Irak), Nasser (VAR) und Atassi (Syrien) Einverständnis zu den genannten Verträge und ihren Konsequenzen erzielt.
    Walter Ulbricht hatte ein ausgeprägtes Interesse für Inhalt, Form und Wirkung rechtlicher Regelungen. Das zeigte sich besonders in verfassungs-, staats- und verwaltungsrechtlichen Fragen. Er hatte bereits erheblichen Anteil an der Ausarbeitung der DDR-Verfassung von 1949, die zwar starke Anklänge an die Weimarer bürgerlich-demokratische Verfassung aufwies, aber andererseits die Regelungen und Lücken vermied, die die Errichtung der faschistischen Diktatur faktisch begünstigt hatten.
    Viel Kraft und Zeit widmete er – als der Entwicklungsstand der sozialistischen Gesellschaft es ermöglichte und erforderte – der Ausarbeitung des Entwurfs einer neuen Verfassung. Ulbricht gab vor der Volkskammer am 1. Dezember 1967 eine Erklärung ab, in der er die Notwendigkeit einer neuen Verfassung ausführlich begründete. Das Parlament beschloss einstimmig Bildung und Zusammensetzung einer Kommission der Volkskammer zur Ausarbeitung einer sozialistischen Verfassung der DDR unter Vorsitz Walter Ulbrichts, der Vertreter aller in der Volkskammer vertretenen Parteien und Organisationen angehörten. Zur Unterstützung der Kommission wurden Sachverständige, darunter auch ich, berufen.
    Der von der Kommission vorgelegte Entwurf wurde mehrere Monate in einer breiten Volksaussprache diskutiert, in der insgesamt 12.454 Vorschläge – selbstverständlich viele inhaltlich übereinstimmend – gemacht wurden, die zu 118 Änderungen im Entwurf (in der Präambel und 55 Artikeln) führten.
    Am 6. April 1968 fand dann der Volksentscheid statt. Von 12.208.986 Abstimmungsberechtigten hatten 11.536.803 – das waren 94,49 Prozent – der Verfassung der DDR zugestimmt.
    Walter Ulbricht würdigte in seiner Begründung für eine neue DDR-Verfassung ausdrücklich den Beitrag, den private Unternehmer, Handwerker und andere Gewerbetreibenden beim sozialistischen Aufbau leisteten. Diese sozialen Schichten wie auch Intellektuelle bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Herkunft waren für den weiteren sozialistischen Aufbau keineswegs hinderlich. Offenbar konnten dies Breshnew und seine Brüder im Geiste in der sowjetischen Führung ebenso wenig verstehen oder billigen wie den Fortbestand von privaten und halbstaatlichen Betrieben oder auch das ganze NÖSPL. Außerdem war die Ungeduld der mehr oder minder designierten Nachfolger des immerhin schon auf die 80 zugehenden Ulbricht nicht zu übersehen. Hätten sie es doch wenigstens unterlassen, einen siebenseitigen Brandbrief mit der Bitte, Walter Ulbricht gewissermaßen aus dem politischen Verkehr zu ziehen, nach Moskau zu senden, und es selbst in die Hand genommen. Kurze Zeit nach Ulbrichts Ablösung begann auch die Kampagne zur Überführung der Betriebe mit staatlicher Beteiligung und der Privatbetriebe in Volkseigentum. Ich machte im Ministerrat darauf aufmerksam, dass zwei Voraussetzungen gesichert werden müssten: Freiwilligkeit und klare gesetzliche Grundlagen. Weiter kritisierte ich ein Wetteifern von Bezirksleitungen der SED um den schnellsten Abschluss der Überführung. Ich wiederholte das mit Nachdruck auf dem XI. Parteitag der LDPD und fügte hinzu, dass Störungen in der Produktion der Betriebe für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt vermieden werden müssten.
    Das alles wurde nicht beachtet und zwang dazu, in Kombinaten unrentable Sonderabteilungen für die Konsumgüter-Produktion einzurichen. Der Staatsratsvorsitzende Stoph und Parteichef Honecker forderten meinen Parteivorsitzenden Gerlach auf, »das bürgerliche Element aus dem Ministerrat und seinem Präsidium zu entfernen«, womit ich gemeint war. Ministerpräsident Horst Sindermann kommentierte gegenüber Manfred Gerlach: »Wenn Wünsche den Mund aufmacht und meist sehr vernünftige Standpunkte vertritt, lässt Willi (Stoph) sofort die Jalousien herunter.« 7
    Unter diesen Umständen habe ich – selbstverständlich aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen – meinen Rücktritt erklärt, und zwar als Minister und als stellvertretender Parteivorsitzender. Ich bat um eine Botschafterfunktion, was strikt abgelehnt wurde. Also habe ich mich an der Sektion Rechtswissenschaft der

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