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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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heute wissen, stieß dies auf erheblichen Widerstand in Teilen des Politbüros der SED, die der Meinung waren, dass eine Politik der strikten Abgrenzung gegenüber der BRD angebracht sei. Doch kann man als sicher annehmen, dass die von Ulbricht bevorzugte Linie der Bevölkerung der DDR weitaus besser vermittelbar war, weil sie den Entwicklungsstand des gesellschaftlichen Bewusstseins und der öffentlichen Meinung nicht überforderte und überflüssige Beunruhigungen vermied.
    Wenn wir die Gesamtheit aller Reformvorhaben und politischen Aktionen betrachten, die Walter Ulbricht initiiert, begonnen, durchgeführt und weiter geplant hatte, dann fügen sie sich wie Elemente eines Systems zusammen, in dessen Mittelpunkt der Gedanke stand, die sozialistische Gesellschaft in der DDR in einer Weise zu gestalten, dass sie einerseits den grundlegenden Erkenntnissen des Marxismus wie auch den bisherigen positiven und negativen Erfahrungen Rechnung trug, aber andererseits auch die modernen Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution und die Erfordernisse des ökonomischen Wettstreits mit einer wesentlich gewandelten kapitalistischen Welt berücksichtigte. Die von Ulbricht vor allem im Zeitraum von 1963 bis 1970 eingeleiteten substanziellen Reformen bedeuteten objektiv auch eine Zurückdrängung und teilweise Überwindung des Stalinismus in der DDR, der auch hier seine Spuren in den Strukturen und Funktionsmechanismen der Partei und des Staates wie auch im gesellschaftlichen Bewusstsein hinterlassen hatte.
    Das mag paradox erscheinen, galt Ulbricht doch lange Zeit als ein treuer Gefolgsmann Stalins. Es spricht aber alles dafür, dass er – wenn auch mit einer gewissen Verspätung – ernsthafte und weitgehende Schlussfolgerungen aus dem XX. Parteitag und den bisherigen Erfahrungen des Sozialismus in der Sowjetunion und der DDR gezogen hatte und nun bestrebt war, die sozialistische Gesellschaft der DDR effektiver, attraktiver und auch demokratischer zu gestalten.
    Doch das führte unvermeidlich auch zu einer fortschreitenden Abkehr von dem vereinfachten und in vieler Hinsicht den grundlegenden Erkenntnissen des Marxismus nur ungenügend entsprechenden theoretischen Vorstellungen Stalins vom Sozialismus, an denen die sowjetische Führung auch unter Chruschtschow und noch mehr unter Breshnew weiter festhielt.
    Ulbricht vollzog diese Entwicklung jedoch nicht in polemischer Auseinandersetzung oder gar Konfrontation mit der Führung der KPdSU, sondern mit praktischen Reformen, die durch ihre Resultate überzeugen sollten. Das war nicht einfach der abhängigen Lage der DDR von der Sowjetunion geschuldet, die sicher auch eine Rolle spielte, sondern entsprach vor allem der internationalistischen Haltung grundsätzlicher Solidarität mit dem ersten Land des Sozialismus, an der Ulbricht unbeirrt festhielt.
    Die auf diesem Wege gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse bestärkten ihn in der Einsicht, dass die sozialistische Gesellschaft noch eine lange Zeit benötigen werde, um die ökonomische, soziale und geistige Reife zu erlangen, von der aus der Übergang in die höhere Phase des Kommunismus zu einer realen Aufgabe werden konnte. Alle Vorstellungen von einer raschen Entwicklung zur kommunistischen Gesellschaft, in der materieller Überfluss herrschen würde und alle Bedingungen für die allseitige Entwicklung der Individuen gegeben seien, beruhten theoretisch auf einer zu oberflächlichen Auffassung und Interpretation der hierauf bezüglichen Ausführungen von Marx über die zwei Entwicklungsphasen der neuen Gesellschaftsformation. Praktisch waren sie Ausdruck revolutionärer Ungeduld und damit verbundener illusionärer Zukunftserwartungen, die oft genug über die realen Schwierigkeiten der Anfangsetappe hinwegtäuschen sollten.
    Marx hatte für die mögliche Dauer der niederen Entwicklungsphase, die wir nach Lenins Vorschlag als Sozialismus bezeichneten, keine bestimmten Zeiträume genannt, sondern als entscheidendes Kriterium den ökonomischen Reifegrad der Gesellschaft bezeichnet, der erreicht sein müsse, damit der Übergang in die höhere Phase der kommunistischen Gesellschaft erfolgen könnte.
    Lenin hatte das durch die These konkretisiert, dass der Sozialismus eine höhere Arbeitsproduktivität erreichen müsse als der Kapitalismus.
    Es nützte gar nichts, den noch erheblich darunter liegenden Entwicklungsstand der Produktivkräfte, der Arbeitsproduktivität und des Lebensstandards schönzureden, solange die

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